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Exklusiv! Tom Bischof zweiter Bundesligafußballer und Nationalspieler mit banatschwäbischen Wurzeln -

  • Autorenbild: Helmut Heimann
    Helmut Heimann
  • 1. Juni
  • 15 Min. Lesezeit

Beckenbauer und Gerd Müller begrüßten Banater Schwaben in Bukarest


In 62 Jahren Bundesliga gibt es den zweiten Fußballer mit banatschwäbischen Wurzeln: Tom Bischof (19). Der Mittelfeld-Profi debütierte am 19. März 2022 für die TSG Hoffenheim bei der 0:3-Niederlage in Berlin gegen Hertha BSC mit 16 Jahren und 263 Tagen als jüngster Bundesligaspieler der Vereinsgeschichte. Er absolvierte 56 Spiele mit fünf Toren für Hoffenheim in der höchsten deutschen Spielklasse, davon 31/5 während der vergangenen Saison. Danach lief sein Vertrag aus, und er wechselte ablösefrei zum Deutschen Meister FC Bayern München (bis 30.06.2029), mit dem er an der Klub-Weltmeisterschaft ab 15. Juni in den USA teilnehmen wird. Der aktuelle Marktwert von Tom Bischof beträgt 25 Millionen Euro. Vor zehn Tagen berief ihn Bundestrainer Julian Nagelsmann in die deutsche Nationalmannschaft für die Endrunde der Nations League ab 4. Juni in Deutschland. Nach dem Lugoscher Weltmeister von 1954 Jupp Posipal ist er der zweite deutsche Nationalspieler mit banatschwäbischer Herkunft. Posipals Sohn, Peer, bestritt für Eintracht Braunschweig 30 Bundesligaspiele (2 Tore) in den 80er Jahren. Toms Großmutter Elisabeth Bischof, geborene Schmelzer, kam in Tschanad im rumänischen Teil des Banats zur Welt. Als Siebenjährige flüchtete sie im November 1944 zusammen mit Bruder, Eltern und Großeltern im Pferdewagen vor den Sowjettruppen nach Österreich und als diese dort eintrafen weiter nach Deutschland. Hier ließ sich die Familie 1946 in Amorbach im Bayerischen Odenwald nieder. Elisabeth heiratete den Einheimischen Manfred Bischof. Sie bekamen drei Jungen, darunter Thomas. Er ist der Vater von Tom Bischof. Seine Tschanader Oma lebt in Amorbach. Dort wuchs Tom auf und begann als Sechsjähriger beim TSV mit dem Fußballspiel. Vier Jahre später wechselte er zur TSG Hoffenheim. Der deutsche Rekordnationalspieler und Weltmeister Lothar Matthäus (150 Länderspiele) lobte Bischof: „Er ist eines der größten deutschen Talente, die wir haben.“


Nicht mal drei Mönchengladbacher konnten den Hoffenheimer Tom Bischof stoppen. Foto: Eibner-Pressefoto
Nicht mal drei Mönchengladbacher konnten den Hoffenheimer Tom Bischof stoppen. Foto: Eibner-Pressefoto

Toms neuer Verein FC Bayern feierte vor vier Monaten den 125. Geburtstag. Er wurde nach einem Streit auf der Sitzung der Fußballabteilung des MTV München gegründet, als mehrere Mitglieder die Versammlung verließen und noch am selben Abend den FC Bayern ins Leben riefen. Das war am 27. Februar 1900 im Schwabinger Café Gisela, und die siebzehn jungen Männer um den ersten Präsidenten Franz John stammten größtenteils nicht aus München, sondern aus Berlin, Bremen, Freiburg, Leipzig. Mit ihrer Entscheidung lagen sie goldrichtig. Handelt es sich beim FC Bayern München doch um eine der erfolgreichsten Fußballmannschaften weltweit. Mit 34 Deutschen Meisterschaften und 20 DFB-Pokalen ist sie nicht nur Rekordmeister der Bundesliga, sondern auch Rekordpokalsieger. Der Deutsche Supercup wurde elfmal gewonnen, der Ligapokal sechsmal. Hinzukommen 14 internationale Titel. Diese ganzen Erfolge wären unmöglich gewesen, wenn der FC Bayern nicht in die Bundesliga aufgestiegen wäre. Das jährt sich am kommenden 26. Juni zum 60. Mal.

Als die deutsche Eliteklasse am 24. August 1963 in ihre erste Saison gestartet ist, waren die Bayern Zaungäste, obwohl sie die Auflagen erfüllt hatten. Insgesamt bewarben sich 46 Mannschaften aus vier Oberligen und der Berliner Stadtliga für die 16 Plätze. Auch wenn der FCB in der Zwölfjahreswertung vor dem Lokalrivalen TSV 1860 München platziert war, gab der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Löwen als amtierendem Meister der Oberliga Süd den Vorrang.

Seltene Autogrammkarte mit Originalunterschrift: Sepp Maier als Zeichnung  Archiv Helmut Heimann
Seltene Autogrammkarte mit Originalunterschrift: Sepp Maier als Zeichnung Archiv Helmut Heimann

Doch der FC Bayern steckte nicht auf. Mit Zlatko „Tschik“ Cajkovski wurde der Meistertrainer des 1. FC Köln von 1962 für die Spielzeit 1963/64 in der neu gegründeten Regionalliga verpflichtet. Er führte die Münchener auf Rang zwei der Südgruppe und damit in die Aufstiegsrunde. Im ersten Spiel ging es gegen den FC St. Pauli. Beim FCB gab ein gewisser Franz Beckenbauer sein Debüt. Da er noch nicht 18 Jahre alt war, spielte er mit einer DFB-Sondergenehmigung und schoss in der 84. Minute als Linksaußen ein Tor zum 4:0-Sieg. Nach der Hälfte der Aufstiegsrunde führten die Bayern mit 5:1 Punkten die Tabelle an. Der Bundesligadurchmarsch schien reine Formsache zu sein. Doch der Vorsprung schmolz wie Schnee in der Sonne. Am Ende fehlte ein Punkt zum Aufstieg, der dem Südwestmeister Borussia Neunkirchen gelang.

Und die Bayern mussten einen neuen Anlauf nehmen. Mit vielversprechenden Talenten wie Sepp Maier, der 1962 Vertragsspieler und ein Jahr später Stammtorwart wurde, dem schon erwähnten Franz Beckenbauer sowie dem zu Saisonbeginn vom TSV Nördlingen verpflichteten Mittelstürmer Gerd Müller sollte der große Wurf in der Spielzeit 1964/65 gelingen. Seit Müller spielte, kassierte jeder Gegner in München mindestens fünf Tore. Mit 146 Treffern in 36 Ligaspielen stürmte die junge Bayerntruppe mit einem Durchschnittsalter von 22 Jahren als Erster der Regionalliga Süd in die Bundesliga-Aufstiegsrunde und beendete die 2. Gruppe auf Rang eins mit 18:3 Toren sowie 9:3 Punkten aus sechs Spielen mit vier Siegen, einem Unentschieden sowie einer Niederlage vor dem 1. FC Saarbrücken, Alemannia Aachen und TeBe Berlin.

Franz Beckenbauer
Franz Beckenbauer

Die letzte Begegnung fand am 26. Juni 1965 im Berliner Olympiastadion vor 15.000 Zuschauern gegen Tennis Borussia statt. Der FCB siegte 8:0 und war am Ziel seiner Wünsche angekommen – endlich in der Bundesliga! Im letzten Aufstiegsspiel traten die Bayern an mit Sepp Maier, Adolf Kunstwadl, Franz Beckenbauer, Werner Olk, Karl-Heinz Borutta, Jakob Drescher, Rudolf Grosser, Dieter Brenninger, Rudolf Nafziger, Gerd Müller und Rainer Ohlhauser. Dem Aufgebot gehörten noch an Fritz Kosar, Peter Kupferschmidt, Manfred Mokosch, Norbert Wodarzik, Dieter Koulmann, Peter Werner, Otto Jaworski sowie Karl Schneider. Zehntausende empfingen die Mannschaft am Flughafen in München, trugen die Spieler auf Schultern zum Mannschaftsbus. Am Morgen danach bat Manager Robert Schwan die Spieler streng nach Alphabet zur Vertragsunterzeichnung. Alle bekamen das gleiche Grundgehalt von 1200 Mark plus weitere zweihundert für jeden gewonnenen Punkt. Das waren noch Zeiten. Aus der 1. Gruppe stieg Borussia Mönchengladbach auf.

In ihrer ersten Bundesligasaison 1965/66 wurden die Bayern Dritter und gewannen den DFB-Pokal. Den holten sie auch 1967, dazu noch den Europapokal der Pokalsieger, wurden 1969 sowohl Deutscher Meister als auch Pokalsieger. Es war das erste Double in der Vereinsgeschichte. Nach dem Aufstieg fünf Titel in vier Jahren gewonnen - die Erfolgsgeschichte nahm unaufhaltsam ihren Lauf!

Gerd Müller Fotos: Archiv Erwin Wiener
Gerd Müller Fotos: Archiv Erwin Wiener

Damals kristallisierte sich eine Achse heraus, ohne die die ganzen Erfolge der Bajuwaren nicht möglich gewesen wären. Sie bestand aus Torhüter Sepp Maier, dem vom Linksaußen zum Libero umfunktionierten Franz Beckenbauer sowie Mittelstürmer Gerd Müller. Das Trio wurde mit den Bayern jeweils viermal Deutscher Meister und Pokalsieger, holte dreimal den Europapokal der Landesmeister, je einmal den Pokal der Pokalsieger und den Weltpokal. Genauso erfolgreich waren die drei mit der deutschen Nationalmannschaft: WM-Dritter 1970, Europameister 1972, Weltmeister 1974. Bei Maier und Beckenbauer kamen die Vize-Weltmeisterschaft 1966 sowie die Vize-Europameisterschaft 1976 hinzu. Müller debütierte nach der WM 1966 in der DFB-Auswahl und trat zwei Jahre vor der EM 1976 aus der Nationalmannschaft zurück. Deshalb fehlten ihm im Gegensatz zu Maier und Beckenbauer zwei Vizetitel, was er durch seine phänomenale Torausbeute mehr als wettmachte.

Der „Bomber der Nation" war zweimal bester Torschütze Europas, je einmal bei Welt- und Europameisterschaften, viermal im Europapokal der Landesmeister, siebenmal in der Bundesliga und dreimal im DFB-Pokal. Fußballerherz, was willst Du mehr? Kein Wunder, dass Beckenbauer sagte: „Ohne die Tore von Gerd Müller wäre der FC Bayern nicht das, was er heute darstellt. Dieser Palast an der Säbener Straße – ich glaube, ohne die Tore vom Gerd wären sie heute noch in dieser Holzhütte."

Beckenbauer mit Grabatzer Schwaben        Zeichnung von Katharina Merle
Beckenbauer mit Grabatzer Schwaben Zeichnung von Katharina Merle

Eines der kuriosesten und außergewöhnlichsten Tore von Gerd Müller fiel am 8. März 1972, einem Mittwoch, in Bukarest. Damals traf Steaua im Viertelfinal-Hinspiel des Europapokals der Pokalsieger auf den FC Bayern München. Nachdem Nicolae Tătaru den Militärklub mit 1:0 (18.) in Führung geschossen hatte, kam in der 69. Minute der große Auftritt von Gerd Müller. Darüber schrieb die ARD: „Der Ausgleichstreffer gegen Bukarest gehört zu 30 Prozent allerdings auch Franz Beckenbauer, der den Ball bei seinem Freistoß 25 Meter vor dem Tor so ungeheuer kunstvoll über die gegnerische Mauer chippt. Müller erreicht die Kugel mit weit ausgestrecktem Kung-Fu-Schritt nur knapp vor dem herausgeeilten Bukarester Torhüter Carol Haidu und kickt ihn volley über eben jenen in die Maschen. Ein Treffer, den man sich immer wieder anschaut, ohne dass es langweilig wird." Und der als Kung-Fu-Tor in die Fußballgeschichte eingegangen ist. Weiter hieß es bei der ARD: „Gerd Müller vom FC Bayern München ist Torschütze des Monats März 1972. Sein eingesprungenes Volleytor in der 69. Spielminute zum 1:1 gegen Steaua Bukarest hat die Zuschauer der Sportschau überzeugt. Sie wählen den Treffer zum besten Tor. Es ist Müllers erste Auszeichnung beim zu diesem Zeitpunkt erst ein Jahr alten ´Tor-des-Monats-Wettbewerb´.

Hier kann der spektakuläre Treffer von Gerd Müller in Bukarest angesehen werden: https://www.sportschau.de/tor-des-monats/archiv/tor-des-monats-maerz-1972-gerd-mueller,maerz72tdm-sp-100.html

1972 wohnte Bayern München im Bukarester Hotel Athénée Place. Foto: IHG Hotels & Resorts
1972 wohnte Bayern München im Bukarester Hotel Athénée Place. Foto: IHG Hotels & Resorts

Unter den 40.000 Zuschauern im Stadion des 23. August befanden sich zahlreiche Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen. Verständlich, denn bei den Bayern standen mit Sepp Maier, Hans-Georg Schwarzenbeck, Franz Beckenbauer, Paul Breitner, Uli Hoeneß und Gerd Müller sechs aktuelle Nationalspieler auf dem Platz, die knapp drei Monate später zum ersten Mal mit Deutschland Europameister werden sollten. Auch vier FCB-Anhänger aus Grabatz im rumänischen Teil des Banats waren in Bukarest dabei. Darüber berichtet der aus der aus der Heidegemeinde stammende frühere Deutschlehrer und Autor Walter Schneider: „Mit dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1967 stieg die Zahl der Bayernfans in unserem Dorf merklich an. Die Grabatzer waren vom Enkel bis zum Opa über das Geschehen in der Bundesliga auf Ballhöhe. Zum einen dank der Liveübertragungen im Rundfunk in der Samstagsendung ‚Heute im Stadion‘ auf Bayern 1, moderiert vom unverkennbaren Fritz Hausmann, aber auch dank der regelmäßigen Lektüre des kicker, der wöchentlich aus der Bundesrepublik in unserem Dorf ankam und reihum weitergereicht wurde. Einer der Leser war Josef Dippong. In den 1950-er Jahren hatte Grabatz eine sehr gute Fußballmannschaft. Einige der Kicker beschlossen, zum Spiel nach Bukarest zu fahren.

Der Grabatzer Joschi Dippong und sein Grab mit Bayernschal. Grabstein ohne Namen mit Bayernemblem in Grabatz für einen lebenden Anhänger    Fotos: privat
Der Grabatzer Joschi Dippong und sein Grab mit Bayernschal. Grabstein ohne Namen mit Bayernemblem in Grabatz für einen lebenden Anhänger Fotos: privat

Die Eintrittskarten wurden im Paket mit den Zugtickets über die Temeswarer Nationale Tourismusagentur ONT gekauft. Als die Grabatzer den Ausgleich der Bayern bejubelten, wurden sie von den um sie sitzenden rumänischen Fans bedroht. Nach dem Schlusspfiff machten sich die Grabatzer auf den Weg ins Hotel Athénée Palace, wo die Bayern untergebracht waren. Durch Bestechung brachten sie das Hotelpersonal dazu, einige Bayernspieler zu verständigen, dass Rumäniendeutsche sie sprechen möchten. Und tatsächlich erschienen einige Stars wie Gerd Müller und Franz Beckenbauer im Hotelfoyer. Sie waren sichtlich gerührt, dass die Banater Schwaben Strapazen und Kosten auf sich genommen haben, um sie live zu erleben. Als Beckenbauer beim Abschied Joschi Dippong die Hand reichte, sagte dieser: ,Di Hand wesch ich nimi! Mei Hand reich ich in meim Lewe nimand mer.' Joschi blieb zeitlebens ein glühender Anhänger des FC Bayern und war einer der wenigen Grabatzer, die nicht ausgewandert sind. Seit seinem Tod schmückt ein Bayernschal sein Grab, der regelmäßig erneuert wird. Er war wohl der treueste Fan des FC Bayern in Rumänien." Das Rückspiel endete zwei Wochen später 0:0 in München. Für den FCB war im Halbfinale gegen den späteren Pokalsieger Glasgow Rangers Endstation.

Die Begegnung der Grabatzer Schwaben mit Franz Beckenbauer wurde von der aus Glogowatz stammenden Hobbykünstlerin Katharina Merle detailgetreu und kunstvoll nachgezeichnet. Die Ähnlichkeit mit Beckenbauer ist frappierend. Käthe zeichnete den Kaiser nicht in Zivil beim Zusammentreffen mit den Grabatzern im Hotel, sondern in der damaligen Spielkleidung, damit es authentischer aussieht. In Bukarest liefen die Bayern ungewohnt ganz in Weiß mit roten Trikoträndern an Hals und Armen auf. Näheres über Katharinas Werdegang und Tätigkeit als Malerin sowie Zeichnerin kann auf https://kaethes-studio.jimdofree.com/ erfahren werden.

In Bukarest signierten mehrere Bayern-Spieler Autogrammkarten für den Kleinjetschaer Erwin Wiener. Collagen: Hans Vastag
In Bukarest signierten mehrere Bayern-Spieler Autogrammkarten für den Kleinjetschaer Erwin Wiener. Collagen: Hans Vastag

Aus dem von Grabatz 16 Kilometer entfernten Dorf Kleinjetscha machte sich Erwin Wiener damals auf den Weg nach Bukarest, ebenfalls mit einem von ONT gekauften Ticket. Er erzählt: „Es ging mit dem Schnellzug aus Temeswar die ganze Nacht hindurch in die Hauptstadt. Aus der Zeitung Sportul hatte ich erfahren, dass die Bayern im Hotel Athénée Palace wohnen. Als ich dort eintraf, machte ich große Augen. Denn die Münchener saßen an einem opulenten Frühstückstisch. Damals herrschte gerade politisches Tauwetter in Rumänien. Deshalb hatte niemand was dagegen, dass wir uns an einen Tisch in Nähe der Bayernspieler setzten. Von Miliz oder anderen Sicherheitskräften keine Spur. Während die Bayern frühstückten, tranken wir bereits Bier. An meinem Tisch waren noch Landsleute aus Jahrmarkt und Sackelhausen zugegen. Beckenbauer, Trainer Udo Lattek und Manager Robert Schwan hatten offensichtlich etwas zu besprechen, weil sie später zum Frühstück kamen. Alles verlief in einer lockeren Atmosphäre. Es war einmalig, dass wir alle Spieler aus nächster Nähe sehen konnten. Ich hatte zwei Jahre vorher vom DFB einige Autogrammkarten erhalten. Jene von Beckenbauer und Gerd Müller ließ ich jetzt von ihnen unterschreiben und auf der Rückseite weitere Bayernspieler. Alle signierten während des Frühstücks, keinen von ihnen störte es. Gerd Müller fragte uns, ob wir aus der DDR gekommen sind, weil wir Deutsch sprachen. Während des Spiels saßen wir in Nähe der Bayernanhänger in ihrer spezifischen Fankleidung. So etwas hatte ich bis dahin nicht erlebt."

Zehn Jahre später sah Wiener die Bayern beim Spiel in Craiova gegen Universitatea live im Stadion. In der Zwischenzeit war das Tauwetter vorbei und die Diktatur allgegenwärtig. Erwin erinnert sich: „Ein Siebenbürger Sachse erzählte, dass sein Pkw schon bei der Einfahrt in Craiova von der Miliz gestoppt wurde. Ohne Ticket fürs Spiel hätte man ihn nicht in die Stadt gelassen. Vor dem Anpfiff wiegelte der kommunistische Haus- und Hofdichter Adrian Păunescu die Zuschauer im Stadion auf. Dementsprechend aggressiv verhielten sie sich. Doch die Bayern machten kurzen Prozess, führten bereits nach zwanzig Minuten durch Breitner sowie Karl-Heinz Rummenigge 2:0, und die erhitzten Gemüter beruhigten sich schnell. An die Bayernspieler sind wir nicht mehr rangekommen. Sie wurden von den Sicherheitskräften streng abgeschirmt." Der FCB qualifizierte sich mit 1:1 im Rückspiel fürs Halbfinale und stieß ins Endspiel des Europapokals der Landesmeister vor, das gegen Aston Villa verloren wurde.

Selbst als die Bayern am 25. Oktober 2007, einem Donnerstag, um 21.15 Uhr, bei Roter Stern Belgrad im UEFA-Cup antraten, machten sich von den wenigen in Lenauheim verbliebenen Banater Schwaben einige mit dem Pkw auf den Weg in die 150 Kilometer entfernte serbische Hauptstadt. Sie wurden mit einem 3:2-Sieg der Münchener durch ein Freistoßtor des kurz zuvor eingewechselten Toni Kroos in der Nachspielzeit belohnt, sodass die Lenauheimer mitten in der Nacht glücklich nachhause fuhren. Im Halbfinale schied der FCB gegen den späteren Pokalsieger Zenit St. Petersburg aus. 

Zwei Spieler der weltberühmten Bayern-Achse waren mehrmals in Rumänien, Gerd Müller einmal. Sepp Maier besuchte das Land zweimal als Spieler und einmal als Trainer, außer dem Europapokal-Viertelfinale bei Steaua noch mit der deutschen Nationalmannschaft beim Freundschaftsspiel 1967 in Bukarest. Bei der 0:1-Niederlage saß er auf der Ersatzbank, im Tor stand Horst Wolter von Eintracht Braunschweig. Zuletzt weilte Maier 2004 in Bukarest als Torwarttrainer der DFB-Auswahl, die ein Testspiel vor dem EM-Endturnier mit 1:5 gegen Rumänien verlor. Nach dem Abschlusstraining stieg Maier in den Kasten und die rumänischen Journalisten machten große Augen, weil der damals 60-Jährige noch gut in Schuss war. Er flog von Pfosten zu Pfosten und fischte so manchen Ball aus dem Winkel. Nicht in Form war sein Schützling Oliver Kahn, der beim Spiel am nächsten Tag gleich viermal bis zur Halbzeitpause den Ball aus dem Netz holen musste und ausgewechselt wurde. Die Gastgeber siegten überraschend 5:1.

Programmheft des Europapokalspieles Universitatea Craiova - Bayern München 1982 Bearbeitung: https://digitalcopystudio.com
Programmheft des Europapokalspieles Universitatea Craiova - Bayern München 1982 Bearbeitung: https://digitalcopystudio.com

Am meisten hielt sich Franz Beckenbauer in Rumänien auf: 1967 spielte er mit der Nationalmannschaft in der Hauptstadt, fünf Jahre später im Europapokal bei Steaua. Als Ehrengast des DFB nahm er am Testspiel 2004 teil, wo er seinen Augen nicht traute und meinte: „Wir waren den Rumänen hoffnungslos unterlegen, sie haben uns eine Lektion erteilt". Zum letzten Mal weilte der Kaiser 2009 in Rumänien. Damals war er erstmals im Banat und kommentierte als TV-Experte aus Temeswar das Spiel in der Champions League zwischen Poli und dem VfB Stuttgart (0:2). Von der bekannten und populären Bayern-Achse lebt nur noch Sepp Maier. Gerd Müller verstarb am 15. August 2021 im Alter von 75 Jahren, der gleichaltrige Franz Beckenbauer am 7. Januar 2024 mit 78 Jahren.

An Beckenbauers 75. Geburtstag am 11.09.2020 verschickte ich folgende E-Mail an mehrere Fußballfans: „Heute an Franz Beckenbauers Ehrentag gibt's für mich einen besonderen Moment, an den ich mich recht gerne erinnere. Im Anhang ist der Umschlag des von ihm in Ich-Form verfassten Buches ,Dirigent im Mittelfeld‘ (siehe Foto). Es ist das zweite von fünfzig Sportbüchern, die ich im Laufe der Jahrzehnte von deutschen Verlagen nach Großjetscha geschickt bekommen habe. Als ich es 1966 erhielt, war ich acht Jahre alt. Schon damals verspürte ich den großen Wunsch, Sportjournalist zu werden, während andere Kinder Lokführer oder Feuerwehrmann werden wollten. Das war mit ein Grund, dass ich Verlage wegen der Sportbücher angeschrieben habe. Die Adressen hatte ich aus dem kicker, den der Vater eines Jugendfreundes wöchentlich aus Deutschland nach Großjetscha geschickt bekommen hat. Ungewöhnlich war mein Wunsch auch, weil sich aus meiner Familie niemand für Sport interessierte. In den Genen lag es nicht. Insofern hat auch Franz Beckenbauer einen gewissen Anteil, dass mein Kindheitswunsch in Erfüllung gegangen ist.


Am 1. September waren es 36 Jahre, seit ich als Redakteur bei der Neuen Banater Zeitung in Temeswar eingestellt wurde. Das eingerahmte Foto von Beckenbauer ist was Besonderes: Es stammt aus seiner Zeit bei Cosmos New York (dort spielte er zusammen mit Pelé in einer Mannschaft) und wurde vom Privatfotografen von Cosmos Rolf G. Habermann aus New York gemacht. Ein solches eingerahmtes Foto habe ich auch von Pelé. Natürlich hing in meinem Zimmer in Großjetscha auch ein Starschnitt von Beckenbauer aus dem kicker (siehe Foto). Ich habe diese für meinen beruflichen Werdegang wichtigen Sachen (außer dem Starschnitt) mit nach Deutschland gebracht und heute anlässlich des Geburtstages von Beckenbauer hervorgekramt. So gesehen ist sein Ehrentag auch ein besonderer Tag für mich. Obwohl er mich daran erinnert, wie schnell die Zeit vergangen ist - und wie vergänglich wir alle sind..."

Uli Hoeneß
Uli Hoeneß

Damals dachte ich nicht im Traum daran, dass ich nur etwas mehr als drei Jahre später anlässlich seines Todes eine Rundmail an hundert Leute verschicken würde. Sie hatte den Betreff „Danke, Franz Beckenbauer" und enthielt einen einzigen Satz: „Einen wie ihn wird es nie wieder geben". Im Anhang befand sich meine Sportkolumne „Der letzte Kaiser im Banat", die in der Rubrik „Links & Mehr" in der Linksammlung gelesen werden kann.

Die Reaktionen auf meine Rundmail ließen nicht lange auf sich warten. Einige davon werden hier wiedergegeben:

Georg Braun: „Es ist bewundernswert, dass Du auf besondere Ereignisse, in diesem Fall leider ein trauriges, immer die passende Antwort hast. Das zeichnet gute Journalisten aus: immer up to date."

Dr. Emil-Dorin Scheffel: „Du hast sehr schön anlässlich des Todes von Franz Beckenbauer geschrieben."

Harald Adam: „Da sieht man mal wieder, wie dieser Mensch auch unsere damalige recht eingeengte Welt beeinflusst hat. Was Du geschrieben hast, zeigt den Respekt vor diesem Mann, der durch seine Art Fußball zu spielen vielen Leuten glückliche Momente beschert hat. Von zahlreichen Deiner Medienkollegen (Sportjournalisten ausgenommen, außer zwei Typen von der Augsburger Allgemeinen) wie z.B. Der Spiegel u.v.a. kann man das nicht behaupten. Respektlosigkeit und an erster Stelle ,Hosianna und kreuzigt ihn!‘ Habe irgendwann Folgendes gelesen: ,In der Zunft der Medien gibt es respektlose Schreiberlinge, die sich einbilden, besser zu wissen, was andere denken, als diejenigen selber.‘ Die Erfolge des Franz Beckenbauer als Spieler, Trainer und Vereinspräsident werden wahrscheinlich in nächster Zeit und wenn überhaupt sobald nicht mehr erreicht. PS: Zu den zwei Sportjournalisten der AZ muss die Frage erlaubt sein: Was machen die hauptberuflich?"

Johann Janzer: „Die Deutschen haben ein großes Fußballgenie durch Franz Beckenbauer verloren. Trotz seines Ruhmes hat man ihn im ZDF etwas in den Dreck gezogen. Das hat er wirklich nicht verdient. In meinem Zimmer hatte ich in den 1970-er Jahren in Lebensgröße die Starschnitte von Grabowski und Overath hängen. Ich hätte aber auch gerne den Franz gehabt."

Franz Tröster: „Du hast sehr schön geschrieben. Ja, für mich war Beckenbauer eine der größten Persönlichkeiten überhaupt. Ich habe paarmal die Gelegenheit gehabt, ihn zu treffen. Mich haben in meinem Leben vier Personen, denen ich begegnet bin, total fasziniert, die hatten eine Aura, das war der Wahnsinn: Helmut Kohl, James Last, Ernst Mosch und nicht zuletzt Franz Beckenbauer. Beckenbauer als Starschnitt gehörte auch zu meiner Sammlung in der alten Heimat."

Erwin Wiener: „Er war und bleibt der beste Fußballer Deutschlands!"

Josef Zippel: „Ich musste schmunzeln, als ich die Überschriften Deiner Kolumne und jener von Oskar Beck in Die Welt las. Ihr hattet den gleichen Titel zu Beckenbauer: ,Der letzte Kaiser‘. Sehr prägnant ist das Foto aus Deinem Zimmer mit dem Starschnitt von Beckenbauer. Beeindruckend, was Du da alles angesammelt hattest."

Siegfried Becker: „Ein guter Beitrag"

Margarete Dimster: „Ich bin begeistert vom Artikel über Beckenbauer und habe ihn auch meinem Bruder empfohlen, der - anders als ich - etwas von Sport versteht. Die wunderbare Einleitung, der Faktenreichtum, die Sprache: Hut ab! Fußballspiele sehe ich mir stets aus patriotischen Gründen an; aus ebensolchen werde ich immer hellhörig, wenn von der deutschen Nationalmannschaft, von sportlichen Ereignissen und von Sportlerpersönlichkeiten die Rede ist, die etwas mit dem Banat, den Banater Schwaben und den Siebenbürger Sachsen zu tun haben. ,Der letzte Kaiser im Banat‘ - das ist Wasser auf meine Mühle. Spitze!“

Richard Jäger: „Deine Mails mit Anhängen haben mir sehr gut gefallen."

Sepp Goschy: „Sehr schön, dass ich sofort nach der Ankunft in Vietnam was von Dir lesen kann."

Buch von Franz Beckenbauer
Buch von Franz Beckenbauer

Gerlinde Bohn: „Typisch deutsch! Man gönnt einem Menschen nicht seine Überlegenheit, sein einmaliges Talent, seine überragenden Leistungen. Nein, man muss ihn durch den Dreck ziehen und niedermachen. Vergessen das Sommermärchen 2006, vergessen die Weltmeisterschaft! Undankbarkeit, Neid, Falschheit bleibt zurück. So war es auch mit Helmut Kohl, Uli Hoeneß, Boris Becker usw. Das sind die Deutschen! Ich sah auch einen Nachruf im ORF. Die sehen das ganz locker: Man konnte ihm nie was nachweisen, und demzufolge trägt der Sockel, auf dem er steht, höchstens einen leichten Kratzer."

Bernhard Krastl: „Die Medien, die ihn verdammt und aus dem Land gemobbt haben, machen große Nachrufe - einfach lächerlich. Für mich war und bleibt er eine Lichtgestalt!"



Beckenbauer bei Cosmos New York                  Fotos: Archiv Helmut Heimann
Beckenbauer bei Cosmos New York Fotos: Archiv Helmut Heimann

Walter Schneider: „Tatsächlich ist es so, als wäre ein Familienmitglied gestorben. Und ehrlich, so ging es mir. Ich war im Hof und habe etwas repariert, als Monika von oben sagte: ,Beckenbauer ist gestorben.‘ Es gibt jenseits des Fußballs Menschen, die Charisma haben. So einer war er! Auch ich hatte einen Starschnitt von ihm in meinem Zimmer. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht bis vorhin. Wo all das hingekommen ist? Das ist lange, lange her. Wenn der Kaiser stirbt, ändert sich die Welt!"



Mein Jugendzimmer in Großjetscha mit dem Starschnitt von Franz Beckenbauer  Foto: privat
Mein Jugendzimmer in Großjetscha mit dem Starschnitt von Franz Beckenbauer Foto: privat

Richard Wagner: „Herzlichen Dank, dass Du uns an diesen wunderbaren Bericht erinnert hast! Ich habe ihn sehr gerne wieder gelesen und bewundere dieses einzigartige Schreiben mit Zahlen, Daten, Fakten und feinsinnigen Gedanken!"

Florin Scripcariu: „Gott hab ihn selig! Er war als Spieler und Trainer ein großer Name."

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.



Bis zum nächsten Klick auf meinen Blog…


Als neuer Beitrag folgt: Fünftausend Mal „Über sieben Brücken musst du gehn“ gespielt! Exklusivinterview mit Gitarrist Bernd Römer, seit 49 Jahren bei der Rockgruppe Karat



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