Exklusivinterview mit Jahrhundert-Torhüter Sepp Maier: „Über die vielen Autogrammwünsche aus dem Banat war ich angenehm erstaunt“
- Helmut Heimann
- vor 3 Stunden
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Fußball-Legende Josef Dieter "Sepp" Maier (81) zählt zu den besten Torhütern aller Zeiten. Er spielte 20 Jahre für Bayern München, bestritt 95 Länderspiele in 13 Jahren für Deutschland. Maier gewann fast alles, was es im Fußball zu gewinnen gibt: Weltmeisterschaft (1x), Europameisterschaft (1x), Europapokal der Landesmeister (3x), Europapokal der Pokalsieger (1x), Weltpokal (1x), Deutsche Meisterschaft (4x) sowie DFB-Pokal (4x). Er nahm als Spieler an zwei Europameisterschaften und vier Weltmeisterschaften teil, war dreimal Fußballer des Jahres, erhielt 1974 das Silberne Lorbeerblatt, 1978 das Bundesverdienstkreuz. Maier wurde 1998 als Deutschlands Torhüter des Jahrhunderts ausgezeichnet, 2014 in die Hall of Fame des deutschen Sportes aufgenommen sowie 2019 in die Gründungself der Hall of Fame des deutschen Fußballs im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund gewählt. Aus seiner Titelsammlung fehlt der UEFA-Pokal, an dem er 1977/78 mit den Bayern teilnahm und in der 3. Runde gegen Eintracht Frankfurt ausgeschieden ist. Als erster Bundestorwarttrainer überhaupt war er am Gewinn des WM-Titels 1990 und des EM-Titels 1996 beteiligt. Er nahm als Spieler und Trainer an acht Weltmeisterschaften sowie sechs Europameisterschaften teil, was selbst Franz Beckenbauer nicht schaffte. Gaudibursch Sepp Maier ist durch seine herzliche und lebensfrohe Art sehr beliebt. Das Interview fand im Beisein von Ehefrau Monika statt. Davor war das Paar aus Südtirol von einem Aufenthalt in seiner Ferienwohnung in Dorf Tirol nach Hohenlinden bei München zurückgekehrt.

Wie ordnen Sie unter Ihren unzähligen Erfolgen den Bundesligaaufstieg der Bayern vor 60 Jahren ein?
Ist das schon so lange her? Irgendwann musste der Anfang sein. Wir waren der Beginn der Erfolgsgeschichte des FC Bayern. Denn ohne den Aufstieg wären die ganzen Titelgewinne nicht möglich gewesen. Das war ein hartes Stück Arbeit. Aber damals waren wir noch jung und fesch, sind zu einer Einheit zusammengewachsen. Seit unserem Aufstieg ging es immer aufwärts.
Treffen Sie sich mit den Aufstiegskameraden?
Ja, wenn es irgendwelche Feierlichkeiten gibt. Privat nicht.
Mit neun von 19 Spielern ist fast die Hälfte des Aufstiegsaufgebotes verstorben. Haben Sie Angst vor dem Tod?
Angst habe ich nur vor meiner Frau, sonst vor niemandem (beide lachen). Der Tod kommt. Jeder muss damit rechnen.
Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?
Nein, dann ist es vorbei. Darum muss man das Leben jetzt ausleben.
Waren Sie auf der Feier zum 125. Vereinsjubiläum der Bayern am 26. Februar?
Nein, wir sind zum Nordkap gereist und haben dort Geburtstag gefeiert, aber nicht den 125. Bis dahin ist es noch (lacht). Meine Frau hat am 27. Februar Geburtstag, ich einen Tag später.
Reisen Sie viel?

Ja. Als Spieler war ich überall auf der Erde, sozusagen ein Weltreisender in Sachen Fußball. Ich habe fast die ganze Erde bereist, aber nur Flughäfen, Hotels und Fußballplätze gesehen. Für große Besichtigungen hatte ich damals einfach keine Zeit oder war schlicht zu erschöpft, noch einen Fuß vor die Hotelzimmertür zu setzen. Das muss jetzt nachgeholt werden. Am schönsten ist es in Bayern.
Wohin geht Ihre nächste Reise?
Nach Irland zum Golfen.
Seit wann golfen Sie?
Seit 1992, als die Europameisterschaft in Schweden stattgefunden hat. Ich war Torwarttrainer der deutschen Nationalmannschaft. Wir wohnten in Åtvidaberg, einem kleinen, hübschen Dörfchen, wo wir mit den Bayern 1973 im Meisterpokal gespielt haben. In der Nähe befand sich ein Golfplatz. Da fing alles an.
Vom Fußball über den Tennisball bis zum Golfball wurden Ihre Bälle mit fortschreitendem Alter immer kleiner. Stimmt es, dass Sie fast nur noch am Golfen sind?
Wenn es geht, auf jeden Fall. Ich bin ein Golf-Verrückter.
Was für Handicap haben Sie?
4,9
Welches war Ihr bestes?

3,7
Als ich Sie zum ersten Mal kontaktiert habe, spielten Sie Golf in Spanien.
Ja, an der Costa de la Luz. Ich veranstalte seit 16 Jahren die Sepp Maier Golf Trophy. Wir waren auch schon auf Mauritius. Es handelt sich um eine organsierte Golfwoche mit einer Kombination aus Golfspiel und geselligem Beisammensein, oft mit Abendveranstaltungen auf denen man mit mir in Kontakt treten kann. Interessierte Golfer können die Reise über einen Veranstalter buchen.
Spielen Sie noch Tennis?
Ja, aber selten. Wenn ich eine Stunde spiele, habe ich danach drei Tage lang Muskelkater. Außerdem sind mehrere Partner von früher nicht mehr dabei.
Erinnern Sie sich an Ihre Spiele in Rumänien mit den Bayern und der Nationalmannschaft?
Zum ersten Mal war ich 1960 mit der deutschen Jugendnationalmannschaft als Sechzehnjähriger dort. Wir sind an Ostern beim UEFA-Jugendturnier in Bukarest Dritter geworden. Zuletzt war ich bei einem Freundschaftsspiel 2004 mit der deutschen Nationalmannschaft ebenfalls in Bukarest, das mit 1:5 gegen Rumänien verloren wurde.
Damals gingen Sie als DFB-Torwarttrainer nach dem Abschlusstraining in den Kasten. Die rumänischen Journalisten machten große Augen, als Sie mit 60 Jahren die Schüsse von Lahm, Hamann, Bobic oder Kuranyi abwehrten.

Ich habe die Bälle besser gehalten als Oliver Kahn am nächsten Tag. Eigentlich hätte ich in diesem Spiel im Tor stehen müssen (lacht).
Können Sie sich an einen Spieler oder Trainer aus den Partien gegen rumänische Teams erinnern?
Nein, aber an eine brisante Geschichte über einen Torhüter, dessen Arm von Ceaușescus Leuten gebrochen wurde, weil er einen Mercedes, den er nach dem Europapokalgewinn erhalten hatte, nicht an den Sohn des Diktators abgeben wollte. Stimmt das?
Nein. Darüber habe ich in meinem Buch über donauschwäbische Spitzensportler geschrieben, als mir Helmut Duckadam gesagt hat, dass dieses Gerücht über ihn nicht wahr ist. Sie waren übrigens sein großes Vorbild. Wenn er als Kind im Tor stand, wollte er immer Sepp Maier sein. Wie schätzen Sie den rumänischen Fußball ein?
Ich musste gegen die Rumänen aufpassen. Denn zu meiner Zeit waren sie sehr stark, mit guter Technik, die beste Mannschaft im Ostblock, mit fanatischen Zuschauern.
Haben Sie das zu spüren bekommen?

Nein. Stattdessen hatte ich viele Anhänger im Banat, von wo mich zahlreiche Autogrammwünsche erreicht haben. Darüber war ich angenehm erstaunt.
Ich bin Banater Schwabe und weiß, dass Sie dort sehr beliebt waren. Viele Fans hatten Ihren Starschnitt im Zimmer hängen. Familie Schreiber aus Triebswetter ließ ihn symbolisch nach dem WM-Finale 1974 gegen Holland mit einem Schluck gutem Banater Wein den grandiosen Sieg feiern. Siehe das entsprechende Foto. So groß war damals die Euphorie unter den Banater Schwaben. Waren Sie mal privat im Banat oder woanders in Rumänien?
Bisher nicht.
Haben Sie sich bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr in München oder im Fernsehen Spiele mit Rumänien angeschaut?
Nein.
Thomas Müller hat Ihren Rekord von 709 Pflichtspielen für Bayern mit 756 Partien überboten.
Ich habe damals alle Spiele durchgespielt, bin nie ein- oder ausgewechselt worden. Das war schon etwas anderes. Wenn er ein- oder ausgewechselt wurde, zählte das als eine ganze Partie. An Spielminuten bin ich nach wie vor weit vorne. Wenn man diese Minuten zusammenzählt, müsste Thomas noch zehn Jahre spielen, um meinen Minutenrekord zu überbieten. Aber er hat jetzt den Rekord, und er soll ihn auch behalten.

Sind Ihre 442 Bundesligaspiele in Folge für die Bayern zwischen 1966 und 1979 ein Rekord für die Ewigkeit?
Ja. Das sind dreizehn Jahre Fußball ohne Unterbrechung gewesen. Natürlich war auch Glück dabei, weil ich öfter mit Verletzungen gespielt habe, bei denen andere ins Krankenhaus gekommen wären. In der jetzigen Zeit ist ein solcher Rekord nicht mehr machbar.
Sie haben gesagt, dass die Bayern-Achse Maier, Beckenbauer, Müller nach dem Tod zusammenbleiben muss und neben der Statue von Gerd Müller vor der Münchner Allianz Arena eine für Franz Beckenbauer angeregt. Gilt das auch für Sie?
Ja mei, gut. Wenn ich tot bin, ist es eh wurscht. Die Achse war der Angelpunkt, um den sich ganze Spiele gedreht haben. Mit ihren Ideen gestaltete sie den Ablauf einer Partie. Der Franz, der Gerd und ich haben immer gesagt, wir kicken so lange, bis wir nicht mehr hintereinander zu den Spielen einlaufen können, sondern nebeneinander zum Stützen (lacht).

Im Fußball gibt's den Spruch „Elf Freunde müsst ihr sein.“ Welches sind Ihre besten Fußballfreunde?
Ich habe mehrere: Franz „Bulle“ Roth, Rainer Bonhof, Berti Vogts, Günter Netzer und Wolfgang Overath.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Das alles so bleibt, wie es ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Schreiben Sie was Gscheites (lacht).
Anmerkung: Sepp Maier ist ein Spaßvogel durch und durch. Aber auch mit ihm und über ihn wurden Witze gemacht.
Als sich Deutschland vor zwei Jahren in einem Freundschaftsspiel gegen Außenseiter Japan mit 1:4 in Wolfsburg bis auf die Knochen blamierte, wurde Maier von einem Reporter gefragt: „Wie hätte die Weltmeisterelf von 1974 heute gegen die Asiaten gespielt?“ Der Torwart antwortete: „Wir hätten 1:0 gewonnen.“ Der Reporter ungläubig: „Wieso nicht höher?“ Maier: „Schließlich sind wir alle schon über 70.“

Bundesweit stand Schlussmann Wolfgang Kleff von Borussia Mönchengladbach immer im Schatten von Sepp Maier. Kleff wurde 1972 Europameister und 1974 Weltmeister, jeweils als Ersatzspieler von Maier. Der Gladbacher bestritt sechs Länderspiele. Einen Witz erzählt Kleff immer noch gerne über seinen großen Rivalen: „Der Sepp wird gefragt, weshalb er seinen Hund abgeschafft habe. Antwortet Maier: »Weil der immer ›Kleff, kleff‹ gemacht hat.«
Kult sind auch die Sprüche der Torwart-Ikone Maier. Anbei einige:
„Wenn die Fans mit Flaschen werfen, stört mich das nicht. Nur voll müssten die Flaschen sein.“
„Zuschauen tu i net, aber beim Duschen geh i mit.“ (über Frauenfußball)
„Morgens um sieben ist die Welt noch in Dortmund.“
„Der Overath konnte nur mit links schießen, das rechte Bein hatte der nur, damit er beim Bierholen nicht umfällt.“
„Ich habe seit meinem 15. Lebensjahr im Tor gestanden, mich öfter als eine halbe Million Mal in den Dreck geworfen. Lässt das Rückschlüsse auf meinen Geisteszustand zu?“

„Ein Torhüter muss Ruhe ausstrahlen. Er muss aber aufpassen, dass er dabei nicht einschläft.“
„Alle meine Gegentore waren unhaltbar. Denn sonst hätte ich sie ja gehalten.“
„Ich habe Strafstöße immer ganz locker genommen. Bei mir brauchten die Schützen auch nicht so viel Angst zu haben, ich habe selten einen gehalten."
"Wie gerne würde ich mit beiden noch mal ein Bier trinken, aber jetzt bin nur noch ich übrig". (über seine Teamkollegen Franz Beckenbauer und Gerd Müller)

Mit einem Clip aus der bekannten Fernsehsendung des Bayerischen Rundfunks „Blickpunkt Sport“ sage ich: Servus, Sepp!
Bis zum nächsten Klick auf meinen Blog…
Als neuer Beitrag folgt: Zum 200. Geburtstag auf den Spuren von Johann Strauss im Walzerschritt durch Wien