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Zum 200. Geburtstag! Auf den Spuren von Johann Strauss im Walzerschritt durch Wien

  • Autorenbild: Helmut Heimann
    Helmut Heimann
  • vor 2 Tagen
  • 16 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 12 Stunden

In der Lobby des Hotels Johann Strauss steht eine Statue des Walzerkönigs. Foto: Helmut Heimann/Collage: Hans Vastag
In der Lobby des Hotels Johann Strauss steht eine Statue des Walzerkönigs. Foto: Helmut Heimann/Collage: Hans Vastag

Als wir vor dreizehn Jahren am Grab von Peter Alexander in Grinzing standen, fiel mir das von ihm gesungene Lied „Wien, Wien nur du allein“ ein, weil seine Interpretation bekannt ist für ihre nostalgische und romantische Atmosphäre. Darin heißt es: „Wien, Wien, nur du allein/Sollst stets die Stadt meiner Träume sein/Dort, wo ich glücklich und selig bin/Ist Wien, ist Wien, mein Wien.“ Jetzt sind wir zum vierten Mal in Wien, weil auch die anderen Liedzeilen nichts von ihrer Aussagekraft eingebüßt haben: „Und keiner bleibt kalt/Ob jung oder alt/Der Wien, wie es wirklich ist, kennt/Müsst ich einmal fort/Von dem schönen Ort/Dann nimmt meine Sehnsucht kein End.“ Deshalb kommen wir immer wieder gerne in die österreichische Hauptstadt.

Der Musikverein gilt als Tempel der Klassik. Foto: Helmut Heimann
Der Musikverein gilt als Tempel der Klassik. Foto: Helmut Heimann

Haben wir im vergangenen Jahr in Budapest den 150. Geburtstag der Metropole an der Donau mitgefeiert, so werden wir diesmal 245 Kilometer weiter ebenfalls in einer Metropole an der Donau einen anderen Ehrentag begehen. Komponist Johann Strauss Sohn, den ich fortan einfachheitshalber Johann Strauss nennen werde, wurde am 25. Oktober vor 200 Jahren in Wien geboren. Die österreichische Hauptstadt feiert ihn während eines prallvollen Gedenkjahres - mit 65 Produktionen an rund 250 Spieltagen vor Ort in allen 23 Bezirken, einem neueröffneten Museum, auf einer Boeing 777, mit Lichtinstallationen, einer Weltraummission sowie Ausstellungen. Eine Woche lang sind wir dabei und werden -symbolisch im Walzerschritt - auf den Spuren von Johann Strauss durch Wien wandeln.

Ursprünglich war der Wiener Walzer ein revolutionärer Tanz, dessen Choreographie seit dem Wiener Kongress 1814/1815 populär wurde und der das steife Menuett als gesellschaftlichen Tanz verdrängte. Joseph Lanner und Johann Strauss Vater erhoben den Walzer zur Kunstform. Johann Strauss hat den Tanzwalzer mit seinen Kompositionen zum symphonischen Konzertwalzer weiterentwickelt: schwungvoll, rauschhaft, erotisch, mit lebendigen, rhythmischen Melodien, die eine beschwingte Atmosphäre verbreiten und eine faszinierende Mischung aus Freude sowie Romantik sind. Kein Wunder, dass sein Walzer „An der schönen blauen Donau“ als erster Schlager der Welt bezeichnet wird - im Sinne eines populären und leicht zugänglichen Musikstücks.


Gerti und ich im Goldenen Saal des Musikvereins vor Beginn des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker. Foto: privat
Gerti und ich im Goldenen Saal des Musikvereins vor Beginn des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker. Foto: privat

Dem Anlass unseres Besuchs entsprechend steigen wir im Hotel Johann Strauss ab. Es liegt im Freihausviertel, nahe dem Naschmarkt, im 4. Gemeindebezirk. Eine Statue von Strauss ziert die Lobby, die Schlafzimmerwand ein großes Gemälde des Opernballs von 1878, den Frühstücksraum eines mit ihm als Hofball-Musikdirektor 1888, das Bad ein Foto mit seinem Denkmal im Stadtpark. Beim Frühstück rieselt seine Musik täglich aus Lautsprechern auf uns ein. Strauss über alles und überall. Verständlich, dass wir jeden Tag erwartungsfroh unsere Entdeckungstouren starten.

Der erste Spaziergang führt uns ins nahegelegene Herz von Wien, wo unvergessliche Erinnerungen auf uns warten. Die goldene Abendsonne taucht die umliegenden Gebäude in glitzerndes Licht, darunter der Musikverein, das Klassikzentrum der österreichischen Hauptstadt. Im berühmten „Tempel der Musik“ ein Konzert zu hören, bedeutet, die Musikstadt Wien in allerhöchster Qualität zu erleben. Wir kennen das. Zweimal sind wir durch den imposanten Haupteingang geschritten, der im Stil der hellenistischen Renaissance gestaltet wurde - jeweils zum weltberühmten Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker: einmal mit Mariss Jansons als Dirigent und einmal mit Daniel Barenboim. Dabei genossen wir die grandiose Akustik im prunkvollen Goldenen Saal, die zu den besten in Europa gehört und ließen uns von den dargebotenen Stücken entzücken.

Das oft fotografierte Denkmal von Johann Strauss im Stadtpark.
Das oft fotografierte Denkmal von Johann Strauss im Stadtpark.

An Kaufkarten für dieses traditionelle Konzert zu gelangen, war und ist sehr schwer. Ich kann ein Lied davon singen. Zu erwerben sind sie ausschließlich durch Verlosung, an der Hunderttausende teilnehmen. Die Gewinnchance tendiert gegen null. Besonders für das Neujahrskonzert mit Daniel Barenboim musste ich mich anstrengen. Denn ich wollte unbedingt dabei sein, weil ich den Pianisten und Dirigenten nicht nur als Musiker verehre, sondern auch wegen seiner Bemühungen um ein friedliches Zusammenleben der Völker im Nahen Osten, wofür er schon längst den Friedensnobelpreis hätte bekommen müssen. Er arbeitet bereits seit 60 Jahren mit den Wiener Philharmonikern zusammen.

Ich setzte alle Hebel in Bewegung, um Tipps zu erhalten, wie man an Tickets gelangen kann. Eine Presseakkreditierung kam nicht in Frage, weil nur ich Zutritt bekommen hätte, Gerti nicht. So nahm ich Kontakt zu verschiedenen Insidern auf wie der ORF-Moderatorin Barbara Rett, die fünfzehn Jahre lang als „Stimme des Neujahrskonzerts“ die Zuschauer charmant durch die TV-Übertragungen begleitete, auf Rumänisch zu Ioan Holender, den aus Temeswar stammenden damaligen Direktor der Wiener Staatsoper und auch zu Daniel Barenboim, dessen erstes von bisher drei Neujahrskonzerten es als Dirigent war. Alle antworteten, konnten mit Ratschlägen aber nicht weiterhelfen. Ihre Mails zeugen bis heute davon. Letztendlich habe ich es doch geschafft und Karten erworben - aber nicht auf dem Schwarzmarkt, wo horrende Preise bezahlt werden.

Vor dem Denkmal bietet die Wiener Polizeimusik beliebte Strauss-Stücke dar.
Vor dem Denkmal bietet die Wiener Polizeimusik beliebte Strauss-Stücke dar.

So konnten wir im altehrwürdigen Goldenen Saal den berauschenden Klängen der Wiener Philharmoniker lauschen und im siebten Musikhimmel schweben. Zwei Drittel der Kompositionen waren von Johann Strauss. Die anschließend herausgebrachte CD erhielt in Österreich Doppel-Platin und die DVD Gold. Vom farbenfrohen Blumenschmuck durfte man nach der Vorstellung mitnehmen. Ich habe ihn bis heute in einer Vase aufbewahrt, obwohl er schon längst verdorrt ist. Eine tolle Erinnerung an ein wunderbares Erlebnis, von dem wir jedes Jahr während der TV-Übertragung des Neujahrskonzerts aufs Neue zehren.

Eigentlich sollte eine Tour auf den Spuren von Johann Strauss dort starten, wo sein Leben begonnen hat. Doch das Geburtshaus steht schon lange nicht mehr. So machen wir uns auf den Weg in jene Wohnung, wo er einst lebte und wirkte. Unterwegs kommen wir an einem Park vorbei und werden von festlicher Blasmusik angelockt. Wir überqueren die Straße, betreten den Stadtpark mit seinen malerischen Wiesen und ansehnlichen Wasserflächen, umgeben von hohen Alleebäumen, folgen den verlockenden Tönen - und sehen etwas golden aufblitzen. Plötzlich stehen wir vor dem weltberühmten Denkmal des Walzerkönigs. Es ist das meistfotografierte der österreichischen Hauptstadt, innen aus Bronze und außen vergoldet. 22 Jahre nach seinem Tod wurde es unter den Klängen der Wiener Philharmoniker enthüllt, die Strauss noch selbst dirigiert hatte.

In der Pfarrkirche am Hof spielte der junge Johann Strauss Walzer auf der Orgel und lernte das Komponieren.
In der Pfarrkirche am Hof spielte der junge Johann Strauss Walzer auf der Orgel und lernte das Komponieren.

Auch jetzt erklingen hier seine Lieder. Die Polizeimusik Wien, mit 120 Jahren zu den ältesten Polizeiorchestern Europas gehörend, spielt mit viel Hingabe die beliebten Kompositionen. Uns hat es besonders die Tritsch-Tratsch-Polka mit ihrem lebhaften Tempo und ihrer rhythmischen Komplexität angetan, was sie zu einer Herausforderung für Blasorchester macht, zumal sie von den Polizisten im Stehen gespielt wird. Dennoch meistern sie das Stück wie auch die anderen mit Bravour. In einer Pause rede ich mit dem Dirigenten. „Wir spielen hier im Juni und September. Diese Art von Musik gehört zu unserer DNA“, sagt Stefan Gottwald. Ich verneige mich in Gedanken vor dem großen Meister, der mit Schnurrbart statt des bekannten Backenbarts und sein Lieblingsinstrument Geige spielend auf dem Denkmal dargestellt wird. Der Rundbogen aus Marmor mit den tanzenden Relieffiguren und den feinen Blattverzierungen setzt ihn gekonnt in Szene. Strauss-Musik live am Strauss-Denkmal mitten in Wien - Herz, was willst Du mehr?

An der schönen blauen Donau schrieb Strauss im Haus in der Praterstraße. Fotos: Helmut Heimann
An der schönen blauen Donau schrieb Strauss im Haus in der Praterstraße. Fotos: Helmut Heimann

Bereits als Kind wollte Johann Musiker werden. Seinen ersten Walzer „Erster Gedanke“ komponierte er mit sechs Jahren. Sein erster Gedanke war die Musik, was seinem Vater missfiel. Er befürchtete, dass der Sohn ihn als Musiker überflügeln würde und versuchte, das mit allen Mitteln zu verhindern. Er bestach Journalisten, um schlecht über ihn zu schreiben, verbot Wirten, ihn auftreten zu lassen, engagierte Buhrufer für seine Auftritte. Doch es half alles nichts. Die Befürchtungen des Vaters traten ein, die Prophezeiung eines Experten zum Glück nicht. Daran musste ich in der Pfarrkirche Am Hof denken, wo ich die Orgel mit dem Gehäuse im Rokokostil bewunderte. Als der junge Johann darauf bei Joseph Drechsler, dem allseits respektierten Kapellmeister des Gotteshauses, das Komponieren lernte und einen Walzer spielte, soll Drechsler gesagt haben: „Aus Ihna wird nix!“ Und was aus ihm geworden ist - der Walzerkönig der Welt!


Sonderbeklebung des Schani-Fliegers von Austria Airlines mit dem Poträt des Walzerkönigs. Foto: © Austrian Airlines/Alex Amer
Sonderbeklebung des Schani-Fliegers von Austria Airlines mit dem Poträt des Walzerkönigs. Foto: © Austrian Airlines/Alex Amer

Wir besuchen seine Wohnung in der Praterstraße 54. Hier lebte er mit seiner ersten Ehefrau Jetty im ersten Stock. Ausgestellt sind Originalmöbel, persönliche Gegenstände, Instrumente und Fotografien des Komponisten. Wir erfahren viel über seinen Alltag, der alles andere als spannend war. Da Strauss mit seiner Kapelle bis zu drei Auftritte pro Abend absolvierte, ist er selten privat ausgegangen. Stattdessen komponierte er viel, vor allem nachts auf dem im Wohnzimmer ausgestellten leise klingenden Harmonium, um die Nachbarn nicht zu stören.

Für die Weltraummission sicherte ich mir die Note mit der Nummer 10.307 f# (fis) des Donauwalzers, gespielt im Orchester von der 2. Violine. Foto: Wien Info
Für die Weltraummission sicherte ich mir die Note mit der Nummer 10.307 f# (fis) des Donauwalzers, gespielt im Orchester von der 2. Violine. Foto: Wien Info

Er war auf dem Höhepunkt seiner Karriere, Hofball-Musikdirektor, konzertierte in Frankreich, Russland, den Vereinigten Staaten, wo er in einem eigens dafür errichteten Kolosseum vor 100.000 Leuten aufgetreten ist. Bereits 25 Jahre vorher gastierte er 1847 mit überragendem Erfolg in drei verschiedenen Aufführungsorten in der Stadt Temeswar im Banat, die als Klein-Wien bezeichnet wird. Die Handlung seiner Operette „Der Zigeunerbaron“ spielt hauptsächlich in und um Temeswar, das damals zum Königreich Ungarn gehörte und heute zu Rumänien. Selbst hundert Jahre nach seinen Auftritten in Temeswar strahlte die Musik von Strauss weit bis in die Dörfer des Banats aus. In meinem Geburtsort Großjetscha gab es zwischen 1946 und 1951 ein Schrammel-Sextett mit zwei Violinisten. Einer davon war Franz-Josef Beisser. Sein Sohn Richard erzählt: „Die Kapelle hat auf den Bällen im Dorf auch Lieder von Johann Strauss gespielt, darunter An der schönen blauen Donau.“

Die Instrumentalfassung von An der schönen blauen Donau erklang zum ersten Mal im Kaffeehaus am Volksgarten. 
Die Instrumentalfassung von An der schönen blauen Donau erklang zum ersten Mal im Kaffeehaus am Volksgarten. 

Die von uns besuchte Wohnung befindet sich in der Leopoldstadt. Das Grätzel war Strauss bestens vertraut, hat er doch hier den größten Teil seines Lebens verbracht, ist mit seiner Kapelle oft in den Gasthäusern und Tanzsälen aufgetreten. In dieser Wohnung komponierte er 1866 den Walzer „An der schönen blauen Donau“, der zur inoffiziellen Hymne Österreichs werden sollte. Mit den Worten „Leider nicht von mir“ hat sein enger Freund und Musikerkollege Johannes Brahms die ersten Noten des Donauwalzers auf einer Widmung kommentiert. Das Lied über die blaue Donau, in der sein Großvater Franz Borgias Strauss fünfzig Jahre vorher Selbstmord begangen hatte, ist dank Johann Strauss zum Inbegriff der Wiener Musik geworden. Aber warum blaue Donau? Blau war der Fluss eigentlich nie. Die Farbe steht für Ferne, Sehnsucht, Reinheit, Unschuld, Ruhe, Entspannung, Vertrauen, Verlässlichkeit, Klarheit, Frische, Loyalität und Treue. Deshalb blaue Donau.


Lambada-Tanz vor der Karlskirche in der Strauss seine zweite Frau Lili geheiratet hat.
Lambada-Tanz vor der Karlskirche in der Strauss seine zweite Frau Lili geheiratet hat.

Wir beenden unseren ersten Tag mit der spektakulären Strauss Dinner Show in der im Herzen des Praters gelegenen Event Location Mirage. Zweieinhalb Stunden Strauss-Kompositionen mit dem renommierten Orchester Johann Strauss Philharmonie, wo der Dirigent auch Moderator ist, einer stimmgewaltigen Sopranistin, die beliebte Stücke von Strauss sang, schwungvollen Einlagen des Wiener Royal Balletts, einem leckeren Viergängemenü und dem perlenden Schampus Johann Strauss Schani Sprudel Tritsch Tratsch, so spritzig wie die Vorstellung selbst. Ein überschäumendes Spektakel!

Strauss wurde von Familie und Freunden Schani genannt, was ein österreichischer Kosename für Johann ist, abgeleitet vom französischen Jean. Die Wiener haben sich für sein Gedenkjahr aber nicht nur den Schani-Sprudel einfallen lassen. Weltweites Aufsehen erregt die österreichische Fluglinie Austrian Airlines, weil sie eine Boeing 777 seitlich mit der zeitgenössischen Silhouette von Johann Strauss bekleben ließ, zusammen mit seinem Namenszug sowie einer Geige. Der Kupferstich-Look des Motivs soll den klassischen Charme repräsentieren, während die modernen Kopfhörer die Verbindung zwischen Tradition und Gegenwart symbolisieren. „Der Schani-Flieger kommt weltweit super an. Sowohl unsere Fluggäste wie auch unsere Crews lieben diese spezielle Livery, und egal, wo wir damit landen, wir sind immer ein Hingucker und Botschafter“, teilte mir Andrea Hansal, Pressesprecherin von Austrian Airlines, mit. 


In der Volksoper erleben wir die beliebte Operette Die Fledermaus. Fotos: Helmut Heimann/Collage: Hans Vastag
In der Volksoper erleben wir die beliebte Operette Die Fledermaus. Fotos: Helmut Heimann/Collage: Hans Vastag

Strauss und das Fliegen gibt es auch in einer anderen Variante. 1977 starteten die Voyager-Raumsonden 1 und 2 vom amerikanischen Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida auf eine interstellare Reise für den Fall, dass sie in ferner Zukunft von fremden Lebensformen gefunden werden. Jede von ihnen trug eine goldene Schallplatte mit 116 Bildern, gesprochenen Grüßen in 55 Sprachen und einer Auswahl der größten musikalischen Meisterwerke der Erde. Doch ausgerechnet der Donauwalzer als Weltallhymne wurde vergessen. Als solche wird er seit dem Spielfilmklassiker „2001 - Odyssee im Weltraum“ des Regisseurs Stanley Kubrick bezeichnet, in dem er zur musikalischen Untermalung der Schwerelosigkeit und der Raumstation verwendet wurde. Die Ohrwurm-Komposition passte perfekt zu jenen Szenen, in denen Raumschiff sowie Raumstation um die Erde schweben und im Dreivierteltakt durch das Weltall tänzeln. Der Film setzte ein Jahr vor der ersten Mondlandung 1969 Maßstäbe.

Was damals versäumt wurde, holte man jetzt nach. Anlässlich der „WALTZ INTO SPACE Mission“ wurde der von den Wiener Symphonikern eingespielte Donauwalzer über die Deep-Space-Kommunikationsanlagen der vor fünfzig Jahren gegründeten Europäischen Weltraumagentur ESA in Cebreros (Spanien) zur Voyager 1 gesendet. Josef Aschbacher, Generaldirektor der ESA, sagte: „Unsere Technologie kann nicht nur wissenschaftliche Daten, sondern auch menschliche Kunst über große Entfernungen übertragen.“

Johann Strauss wie er leibte und lebte während des Finales der interaktiven Show im Museum New Dimensions.
Johann Strauss wie er leibte und lebte während des Finales der interaktiven Show im Museum New Dimensions.

Die Zeremonie fand in Wien statt und wurde live im Internet ausgestrahlt. Dabei reiste das Signal mit der Lichtgeschwindigkeit von 299.792.458 Metern pro Sekunde zur Sonde und von dort für alle Zeiten durch den Kosmos. Eine tolle Idee und Ausführung, über die sich der Maestro im Himmel bestimmt sehr freut, weil seine weltbekannte Melodie in den unendlichen Weiten des Weltraums als ewige musikalische Verbindung zwischen der Menschheit und möglichem außerirdischem Leben erklingt. „Einmal mehr präsentierte sich die Bundeshauptstadt Wien als innovative Welthauptstadt der Musik – eine Stadt, die nicht nur ihr Erbe bewahrt, sondern mit visionären Ideen Impulse für die Zukunft setzt“, sagte Bürgermeister Michael Ludwig.

Seit Gerti am 4. Juni 2012 während der 101. Vollmondnacht mit „Mondschein-Büfett“ und „Mondschein-Cocktail“ auf dem Donauturm in Wien bei einer luftigen Verlosung in 170 Meter Höhe ein Grundstück auf dem Mond gewonnen hat, dessen Urkunde von der Lunar Embassy aus den USA ausgestellt wurde, worauf Area, Quadrant, Lot sowie Parzellen-Nummer exakt eingetragen sind, machte ich mir Gedanken, wie auch ich etwas mit dem Weltall zu tun bekommen könnte. Die Lunar Embassy ist führend im Bereich Mondbesitz sowie außerirdische Immobilien und das einzige Unternehmen weltweit, das über eine gesetzliche Grundlage für den Verkauf und die Registrierung außerirdischer Immobilien verfügt.


Die Hochzeit von Strauss mit seiner ersten Frau Jetty im Stephandsdom war für die Wiener Gesellschaft ein kleiner Skandal, weil sie sieben Jahre älter war als er und sieben Kinder von verschiedenen Männern hatte. Fotos: Helmut Heimann
Die Hochzeit von Strauss mit seiner ersten Frau Jetty im Stephandsdom war für die Wiener Gesellschaft ein kleiner Skandal, weil sie sieben Jahre älter war als er und sieben Kinder von verschiedenen Männern hatte. Fotos: Helmut Heimann

 

Der französische Autor Patrice Jeancour meinte zwar: „Wer Fantasie hat, kann immer zu den Sternen reisen.“ Trotzdem ging ich auf Nummer sicher. Denn jetzt bot sich mir die einmalige Gelegenheit, mit Gerti gleichzuziehen, wenn auch nicht als Grundstücksbesitzer auf dem Mond, sondern als SpaceNote-Ambassador, indem ich mir eine der insgesamt 13.743 exklusiven Noten des in den Weltraum geschossenen Donauwalzers sicherte, wodurch ich offizielles Mitglied der „WALTZ INTO SPACE Mission“ geworden bin. In weniger als 51 Tagen waren bereits alle Noten vergeben - etwa 270 pro Tag - an Menschen aus 92 Ländern, darunter der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bürgermeister Ludwig sowie die spanische Opernsängerin Serena Sáenz.

Und siehe da, bereits fünf Tage nach dem Start der Mission traf eine Mail bei mir ein: „Hallo Helmut Heimann, wir haben kürzlich eine ziemlich ungewöhnliche Nachricht aus dem All bekommen – anscheinend ist der Donauwalzer tatsächlich bei den Sternen angekommen. Wir konnten es selbst kaum glauben und wollten diese faszinierende Entwicklung natürlich sofort mit dir teilen! Kosmische Grüße, Die WALTZ INTO SPACE Crew. Hier ist deine persönliche Alien-Botschaft: https://www.youtube.com/watch?v=90Qg4sR0siA. Nun befindet sich nicht nur etwas von Gerti, sondern auch von mir bereits zu Lebzeiten im Himmel. Hallelujah.



Gerti und ich vor Beginn des weltberühmten Sommernachtskonzerts nahe der Konzertbühne der Wiener Philharmoniker, die im Park des Schlosses Schönbrunn gastierten, auf dessen Mauern farbenfrohe Lichtspiele zu bewundern waren. Fotos: Helmut Heimann, privat/Collage: Hans Vastag
Gerti und ich vor Beginn des weltberühmten Sommernachtskonzerts nahe der Konzertbühne der Wiener Philharmoniker, die im Park des Schlosses Schönbrunn gastierten, auf dessen Mauern farbenfrohe Lichtspiele zu bewundern waren. Fotos: Helmut Heimann, privat/Collage: Hans Vastag

Die Instrumentalfassung des Donauwalzers erklang 1867 zum ersten Mal im Kaffeehaus des Volksgartens am Heldenplatz. Das Orchester wurde von Strauss dirigiert. Wir stehen vor diesem Gebäude, das wegen seiner gebogenen Form liebevoll Volksgartenbanane genannt wird. Es ist Mittagszeit, das Gelände umzäunt und abgesperrt. Nur die Müllabfuhr darf hinein. Erst am Abend öffnen sich die Tore, dann finden im Nachtclub mit mehreren Dancefloors schwungvolle Tanzpartys statt. Vom Donauwalzer zur Discomusik - musikalisch ist in Wien alles möglich, sogar der heißblütige Lambada-Tanz einer Frauengruppe am hellichten Tag vor der barocken Karlskirche.

Film über das Leben von Johann Strauss im Konzertsaal des gleichnamigen Museums in Döbling. 
Film über das Leben von Johann Strauss im Konzertsaal des gleichnamigen Museums in Döbling. 

In einer halben Stunde sind wir zu Fuß am Theater an der Wien, dessen Habsburgergelb prima ins Stadtbild passt. Hier wurden 13 der 15 Operetten von Strauss uraufgeführt. Dabei war Schani zuerst gar kein Operettenfan, weil er als Komponist für Tanzmusik Angst vor der Theaterbühne hatte. Zum Glück konnte er umgestimmt werden. Auch die bekannteste Operette der Welt hatte hier Premiere: „Die Fledermaus“.

Wir erleben sie in der Volksoper. Die ist für ihre Vielfalt und Offenheit bekannt, was manchmal aber auch zum Nachteil gereichen kann, wovon wir uns zu unserem Leidwesen überzeugen sollten. Einen Dresscode gibt es im Vergleich zu anderen Opernhäusern nicht. Leger oder elegant - das bleibt den Besuchern überlassen. Der Saal ist mit rotem Samt ausgeschlagen. Wir sind begeistert vom 1. und 2. Akt. Aber zu Beginn des dritten wird unsere gute Stimmung getrübt, als der Gefängniswärter Frosch in Gestalt einer Frau unter anderem über US-Präsident Donald Trump fabuliert und stramm im Gleichschritt mit dem Zeitgeist marschiert. Ein bekanntes Zitat aus der Fledermaus lautet: „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist.“ Die internationale Kulturplattform Online Merker wandelte ihn angesichts der Inszenierung um in „Glücklich ist, wer das ganz schnell vergisst.“ Volltreffer.



Freiluft-Aufführung der ersten Strauss-Operette Indigo im Otto-Wagner-Areal.
Freiluft-Aufführung der ersten Strauss-Operette Indigo im Otto-Wagner-Areal.

Nicht vergessen werden wir ein anderes Geburtstagsgeschenk der Stadt Wien für Johann Strauss, genannt New Dimensions. Das Museum auf zwei Etagen im Stadtzentrum wurde anlässlich des Gedenkjahres eröffnet. Neue Dimensionen deshalb, weil die Magie von Strauss und seiner Musik auf eine neue Art und Weise erlebt werden kann. Wir betreten eine Welt, in der Klang und Raum mit Hilfe modernster Technologie genauso lebendig werden wie die historischen Szenen aus dem Leben und Schaffen des Musikers. Begleitet von mehreren seiner unvergesslichen 500 Kompositionen fühlen wir uns in die glanzvolle Epoche des 19. Jahrhunderts versetzt, indem wir immersiv auf 800 Quadratmetern mit einem Audioguide 75 Minuten lang durch sieben Akte aus dem Leben von Strauss wandern.

Zwanglos gekleidete Zuschauer und ein origineller Presseplatz beim Open Air von Indigo.
Zwanglos gekleidete Zuschauer und ein origineller Presseplatz beim Open Air von Indigo.

Im vierten Akt wird das Thema Frauen behandelt, das im Leben des Musikers eine zentrale Rolle spielte, angefangen von seiner dominanten Mutter als Motivatorin und Muse bis zu seinen drei geschäftstüchtigen Ehefrauen. Schani legte großen Wert auf sein Äußeres, indem er Kleidung und Bart stets der neuesten Mode anpasste. Um jünger auszusehen, ließ er Haare und Schnurrbart pechschwarz färben. Seinem schwarzen Hund schnitt er Fellbüschel ab, um sie als seine Haarlocke den Verehrerinnen zu schenken, was eine Idee seiner Frau Jetty gewesen sein soll. Fulminant ist im Museum das 30-Minuten-Finale, in dem die Geschichte von Strauss auf 5,5 Meter hohen Wänden in einem spektakulären Farb- und Tonrausch präsentiert wird. Wir hören, sehen, genießen - und staunen.

Von der digitalen Symphonie drinnen geht es nach draußen in die reale Musikwelt zu einem ganz besonderen Ereignis. Zusammen mit Abertausenden strömen wir in den Park des Schlosses Schönbrunn zum 22. Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker. Der Eintritt ist frei. Fast alle Zuschauer stehen im Schlosspark. Die wenigen Sitzplätze sind reserviert, da keine Tickets verkauft wurden. Wir sitzen in der Nähe des Orchesters, lauschen seinen sphärischen Klängen. Alles passt perfekt zusammen: ein lauer Sommerabend mit einem bunten Sonnenuntergang, surrenden Drohnen, die atemberaubende Aufnahmen aus der Vogelperspektive liefern, bombastischen Lichtspielen auf der imponierenden Kulisse des weltbekannten Schlosses, die nicht minder berühmten Wiener Sängerknaben als Premiere und zum Abschluss der populäre Strauss-Walzer „Wiener Blut“. Gänsehaut pur! In der Überschrift ihrer Konzertkritik sollte es Die Presse passend ausdrücken: „Sanftes Lächeln einer Sommernacht“. Die Aufführung findet vor 53.000 Zuschauern statt und wird in 80 Länder übertragen. Ein weltweites TV-Ereignis - und wir sind live dabei.

Trotzdem haben wir immer noch nicht genug von Johann Strauss und machen uns am nächsten Tag auf den Weg in den Nobelbezirk Döbling am Rand des Wienerwaldes, umgeben von romantischen Weinbergen. Dort befindet sich im Casino Zögernitz das Museum House of Strauss mit seinem akustisch hervorragenden Konzertsaal, in dem Vorstellungen stattfinden. Im Sommer 1850 veranstaltete Strauss hier ein großes Volksfest mit elegantem Ball und grandiosem Feuerwerk. Dreißig Jahre später hat die Strauss-Familie ebenda regelmäßig mit dem eigenen Orchester gespielt - im letzten existierenden Konzertsaal weltweit, in dem alle vier Strauss-Genies (Vater, erstgeborener Sohn und zwei seiner Brüder) aufgetreten sind. Wir nehmen Platz im anheimelnden Saal, tauchen anhand eines Films tief in die Zeit der Familie Strauss ein, begleitet vom Kommentar von Prof. Dr. Eduard Strauss, Urgroßneffe und Nachfahre. Direkte Nachkommen gibt es keine, weil alle drei Ehen von Johann Strauss kinderlos geblieben sind.

Der Professor erzählt im Film die packende Geschichte seiner bekannten Familie. Durch interaktive Stationen und Exponate wird sie auch in den anderen Räumlichkeiten des Museums lebendig. Es befindet sich in der Hauptstraße des 19. Gemeindebezirks, zu dem Oberdöbling gehört. Hier in der Nähe verbrachte der aus Lenauheim im Banat stammende bedeutendste deutschsprachige Dichter des Weltschmerzes Nikolaus Lenau in einer Heilanstalt die letzten drei Jahre seines Lebens, wo er vor 175 Jahren mit nur 48 in geistiger Umnachtung verstarb. Lenau kannte den Vater des Walzerkönigs Johann Strauss persönlich.

Am Abend gibt es schon wieder Johann Strauss live. Im historischen Otto-Wagner-Areal mit seinen einzigartigen Jugendstilpavillons, umgeben von einer sattgrünen Parklandschaft, erleben wir eine Premiere, die es in sich hat. Wir sehen zum ersten Mal eine Operette im Freien, sozusagen als Open Air. Teilweise sitzen die Zuschauer im Gras oder in Schaukelstühlen. Alles ist locker, lustig, lieblich, lässig, lebhaft. Es handelt sich um die erste Operette von Johann Strauss. Sie heißt aber nicht wie das Original „Indigo und die 40 Räuber“, sondern wurde in „Indigo und die 23 Räuber*innen“ umgetauft, weil sie jeden Tag in einem anderen der 23 Wiener Bezirke aufgeführt wird. Das routinierte Ensemble des Theaters an der Wien zieht die Besucher durch seine niveauvolle Darbietung in den Bann, begleitet von dem wegen seiner stilistischen Vielfalt und klanglichen Transparenz hoch angesehenen Wiener KammerOrchester. Das milde Sommerwetter rundet das Ganze bestens ab. Innerhalb von zwei Tagen erleben wir bereits den zweiten Sommernachtstraum. Träume sind also nicht nur Schäume.

Eine der letzten Stationen auf unserer Strauss-Tour ist die Evangelische Kirche in der Innenstadt, wo der Trauergottesdienst für den mit 73 Jahren an einer Lungenentzündung verstorbenen Komponisten stattfand. Er hatte die österreichische Staatsbürgerschaft aufgegeben und war vom katholischen zum evangelischen Glauben konvertiert, um erneut heiraten zu können. Der Trauerzug mit Tausenden von Menschen führte unter anderem am Musikverein, dem Theater an der Wien sowie der Staatsoper vorbei. „Altmeister Johann Strauss ist in dem Himmel, der ihm schon bei Lebzeiten ´an der schönen blauen Donau´ voller Geigen war“, hieß es am 11.06.1899 in einer Collage in Kikeriki.

Es soll eine „schöne Leich“, also Beerdigung, gewesen sein. Schwarze Rappen zogen die Trauerkutsche mit dem Sarg zum Zentralfriedhof. Und schön ist dort auch sein Ehrengrab. Der kunstvoll verzierte Grabstein zeigt den Komponisten mit Schnauzbart, umgeben von musikalischen Symbolen: einer Fledermaus, einem Walzer tanzenden Paar und Wasser aus der Donau, der er sein bekanntestes Werk gewidmet hat.

Das Grab von Johann Strauss im Zentralfriedhof. Fotos: Helmut Heimann
Das Grab von Johann Strauss im Zentralfriedhof. Fotos: Helmut Heimann

Strauss befindet sich in illustrer Gesellschaft, in unmittelbarer Nähe sind die Gräber seiner Komponistenkollegen Ludwig van Beethoven, Franz Schubert und Johannes Brahms. Wir besuchen noch ein anderes Ehrengrab. Hier liegt Adam Müller-Guttenbrunn, Identifikationsfigur der Banater Schwaben: Schriftsteller, Journalist, Bühnenautor, Theaterdirektor, Nationalrat. Er lebte 53 Jahre in Wien, wo er zu einer wichtigen Persönlichkeit des kulturellen Lebens aufstieg. In der Leipziger Zeitschrift Der Turmhahn schrieb er: „Johann Strauss ist kaum zehn Jahre tot, wir haben ihn alle gekannt, mit ihm gescherzt und geplaudert...“ 

Eine Woche lang waren wir 110 Kilometer zu Fuß kreuz und quer auf den Spuren von Johann Strauss durch Wien unterwegs, am meisten 21 Kilometer an einem Tag. Dabei haben wir alles aufgesaugt, was möglich war. Am Ende unseres erlebnisreichen Trips wollen wir nur eines: Wiederkommen! Weil man in Wien nie das Gefühl hat, bereits alles gesehen zu haben. Auch nicht von Johann Strauss, dem ersten globalen Popstar der Welt. Die Playlist „Best of Johann Strauss II“ wird monatlich 1,3 Millionen Mal über die Streaming-Plattform Spotify abgespielt.

Zwei Stunden nach der Rückkehr aus Wien erlebe ich in Stuttgart einen anderen globalen Popstar, der im Gegensatz zu Strauss lebt. Der 85-jährige Tom Jones tritt in der Porsche-Arena auf. Von Johann Strauss zu Tom Jones - krasser hätte der musikalische Stilwechsel innerhalb kürzester Zeit nicht sein können. Aber: Beide Musiker haben etwas gemeinsam, weil sie auf ihre Art Einzigartiges schufen, das die Menschen packt und nicht mehr loslässt. Ihre Musik berührt die Seelen, weckt Erinnerungen und verändert Stimmungen. Der österreichische Künstler Markus Keimel meinte: „Die Musik ist nicht aus, wenn sie zu Ende ist. Sie spielt immer weiter und weiter. Im Kopf, im Herzen, in den Träumen. Musik verklingt niemals.“ Und daran wird sich nie etwas ändern.



Bis zum nächsten Klick auf meinen Blog…




Als neuer Beitrag folgt: Exklusivinterview mit Peter Maffay anlässlich seines 55. musikalischen Jubiläums

 

 

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