Ein Besuch im Paradies! Wie man im Urlaub auf den Seychellen Fußball-Nationaltrainer wird
- Helmut Heimann
- 2. Feb.
- 13 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Feb.
Wir heben ab. Es geht steil nach oben. Schnell liegen die Wolken unter uns. Wir sind auf dem Weg ins Paradies. Wer denkt, meine Fantasie würde mir Streiche spielen, irrt sich. Wir machen es uns in der Premium Economy Class eines modernen Airbusses 330-900 neo des beliebtesten deutschen Ferienfliegers Condor bequem - unterwegs auf die Seychellen. Dort kam am 19. Januar 1609 ein Schiff namens Ascension der Britischen Ostindienkompanie durch einen Sturm vom Kurs ab und ankerte vor der seychellischen Hauptinsel Mahé. Unter den Passagieren war ein gewisser John Jourdain, der im Auftrag der Kompanie den Handel mit Indien ankurbeln sollte. Er erkundete Mahé ausgiebig und verfasste anschließend einen euphorischen Bericht über das "Paradies auf Erden", das sie zufällig gefunden hatten. Das war vor 416 Jahren. Seither gilt das Inselreich als "Paradies". Wir sind gespannt, ob wir das auch so empfinden werden. Von oben schaut es aus, als seien die Seychellen eine lockere Ansammlung von Granit- und Koralleninseln, die den Göttern beim Würfelspiel aus der Hand gefallen sind, um im Osten Afrikas mitten im Indischen Ozean zu landen. "Das Paradies kann nur im reinen Herzen sein. Trägst du es nicht in dir, so kommst du nicht hinein", schrieb der deutsche Schriftsteller Gerhard Tersteegen.
Wir kommen hinein. Nach neun Stunden Direktflug landen wir auf Mahé, wo wir von der Sonne mit einem purpurroten Aufgang empfangen werden. Die Luft ist weich wie Samt. Das helle Sonnenlicht scheint bei jedem Atemzug in die Brust zu dringen. Es ist blendend weiß. Kein Wunder, denn der Äquator befindet sich nur 500 Kilometer nördlich von hier. Die Temperatur beträgt um 5 Uhr bereits 27 Grad. Obwohl es auch bei unserer Abfahrt am Vortag in Stuttgart einen prächtigen Sonnenaufgang gegeben hat, sind wir in einer anderen Welt angekommen.

Auf der Fahrt ins Hotel gelangen wir aus dem Staunen nicht heraus. Der serpentinenreiche Weg windet sich durch eine sattgrüne tropische Vegetation mit Pflanzen, deren Blätter so stark sind, dass sie Babys tragen können. Und in der sich weder giftige Schlangen noch gefährliche Raubtiere aufhalten. Wir machen einen Stopp am Aussichtspunkt La Misère und wundern uns, warum er auf Französisch Elend heißt. Das Gegenteil ist der Fall. Keine Spur von Elend, der Ausblick ist atemberaubend, fesselnd und spektakulär. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns erwarten sollte.

Der magische Aussichtspunkt gestattet einen sensationellen Blick auf die künstlich angelegte Insel Eden Island sowie den Saint Anne Marine Park mit den fünf Inseln Cerf, Saint Anne, Round Island, Long Island und Moyenne. In der Ferne sind die Umrisse der Inseln Praslin und La Digue zu sehen. Der weite Ozean liegt zu unseren Füßen, die malerischen Inseln sehen wie die glitzernden Perlen einer Kette aus, die sich auf dem sanft rauschenden Meerwasser aneinanderreihen. Es ist eine Farbenorgie in Blau, Türkis, Rot, Weiß und Grün. Wir saugen den süßen tropischen Blütenduft tief ein. Die Stille ist mit den Händen greifbar. Paradiesisch. Als Journalist muss ich um die passenden Wörter ringen, damit ich die Schönheit in ihrer vollen Pracht auch nur annähernd beschreiben kann. Und ich bin um eine Erkenntnis reicher: Selten stimmen Klischees mit der Realität so sehr überein wie auf den Seychellen. Postkartenidylle pur.
Im Hotel Constance Ephelia eingetroffen ist der erste Eindruck überwältigend. Eine tropische Brise streichelt unser Haar und weht die leichte Flugmüdigkeit weg. Die Palmen wiegen sich sanft im Wind und rascheln leise mit den Wedeln. Sie wollen sich an uns schmiegen und flüstern einen Willkommensgruß zu. Die lieblichen Sonnenstrahlen kitzeln die Haut. Der verlockende Duft des Meeres liegt in der Luft. Es rauscht verheißungsvoll und schickt eine weiße Welle nach der anderen ans breite Ufer mit dem weichen Puderzuckerstrand, über den die goldene Sonne ihre Strahlen wirft. Die prickelnden Wasserfarben wechseln von Türkis über Smaragdgrün bis zu tiefem Blau. Am Horizont verschmelzen Himmel und Ozean zu einem unendlichen Azur. Alles Zutaten für eine perfekte Kulisse zur Erfüllung unserer Urlaubsträume. Willkommen im Paradies! Hier werden wir die nächsten zwei Wochen verbringen und das einladende Umland besuchen.
Das Fünfsterne-Hotel befindet sich im Westen von Mahé, der als ruhigste und entspannteste Gegend der Insel gilt. Es bietet einen fantastischen Blick auf den bezaubernden Port Launay Marine National Park und gehört zu einer Kette aus Mauritius.

Wir befinden uns im größten Luxusresort des Indischen Ozeans. Fünf Restaurants, sechs Pools, sechs Bars, 300 Zimmer erwecken trotzdem nicht den Eindruck von Größe. Denn die traumhafte Anlage erstreckt sich über 120 Hektar, sodass die Gebäude versteckt und eingebettet in eine üppige immergrüne Vegetation liegen. Auf unseren Spaziergängen durch das weitläufige Areal kommt Dschungelfeeling auf. Den Weg säumen feuerrote Flammenbäume, dunkelgrüne Palmen mit gelben Kokosnussfrüchten, pink leuchtende Bougainvilleas, hellgrüne Mangroven, die wie eine verwurzelte Version von Göttern das Land mit dem Meer verbinden. Eine biblische Landschaft wie im Garten Eden.
Das Hotel wurde um ein Mangrovengebiet herum gebaut, das der Regierung der Seychellen gehört. Umweltschutz wird im Constance Ephelia großgeschrieben. Es hat einen Manager für Naturschutz und Nachhaltigkeit. Das Regenwasser wird durch eine Anlage in Trinkwasser umgewandelt und in Glasflaschen auf die Zimmer gestellt. So werden jährlich bis zu 200.000 Plastikflaschen eingespart. Der Strom stammt aus Dieselgeneratoren, die Außenbeleuchtung erfolgt mittels moderner LED-Lampen.

Gleich zwei hübsche Buchten mit feinsandigen Traumstränden laden uns ein. Sie werden von Korallenriffen geschützt, sodass das Badevergnügen nicht durch starke Strömungen gestört werden kann. Die Anse L'Islette am Südstrand befindet sich gegenüber dem gleichnamigen Inselchen, das nur etwa 120 Meter entfernt ist. Bei Ebbe kann man durchs seichte flache Wasser bis zum netten Eiland waten. Ebbe und Flut wechseln sich alle sechs Stunden ab. Die Bucht ist attraktiv, der Inselblick faszinierend, das Wasser badewannenwarm und kristallklar.

.Nach einem viertelstündigen Spaziergang gelangen wir an den Nordstrand. Er liegt wie der im Süden in einer der bezauberndsten Gegenden der Seychellen. Eine perfekte Kulisse aus von Wind und Regen rundgeschliffenen schwarzen Granitfelsen, die so typisch für die Seychellen sind, schneeweißem Sand und türkisblauem Wasser ist allerbeste Garantie für tolle Strandtage, an denen man die Seele so richtig baumeln lassen kann. Carpe diem!
Wir haben die Qual der Wahl und halten uns abwechselnd am Süd- bzw. Nordstrand auf. Sie sind nicht überlaufen, haben eine üppige Vegetation mit vielen grünen Palmen an den Ufern, sodass immer ein schattiges Plätzchen für die Sonnenliegen vorhanden ist. Auf unseren Reisen rund um die Welt haben wir viele Traumstrände erlebt: Copacabana und Ipanema in Rio de Janeiro, Bondi Beach in Sydney, Waikiki Beach in Honolulu, Playa Varadero auf Kuba, Riviera Maya in Cancun, Playa de Arena Gorda in Punta Cana, Venice Beach in Los Angeles, das Hawaii des Fernen Ostens, wie das chinesische Hainan bezeichnet wird, Gestade wie das vietnamesische Phú Quốc, die Bahamas, Mauritius, Sansibar, das kapverdische Boa Vista, Miami oder der omanische Geheimtipp Salalah - aber die Bilderbuchstrände auf den Seychellen sind nicht zu toppen. Eine Insel aus Träumen geboren.

Besonders am Südstrand ist die Aussicht grandios: Auf der einen Seite das herrliche Bergpanorama mit dem Mont d'Or, der sich mit seinem Kegel in 265 Meter Höhe schwingt und majestätisch über allem thront, weshalb er von uns bewundernd Big Boss genannt wird. Auf der anderen Seite die unendliche Weite des Ozeans, der sanfte Wellen ans gemütliche Ufer spült. Eine ideale Kombination und sichere Garantie für Fernwehträume. Wir hören und genießen unsere heimliche Reisehymne "So soll es bleiben" von Ich + Ich Ton für Ton und Wort für Wort in vollen Zügen. Im Refrain heißt es: "Ich will sagen/So soll es sein/So kann es bleiben/So hab ich es mir gewünscht/Alles passt perfekt zusammen/Weil endlich alles stimmt/Und mein Herz gefangen nimmt." Viva la vita!
Bedingt durch die Äquatornähe fällt die Sonne pünktlich um 18 Uhr farbenfroh vom Himmel, und es wird schnell dunkel. Kein Problem, denn die Sternenpracht ist überwältigend. Der Mond lächelt goldgelb. Die Milchstraße schlängelt sich übers strahlende Firmament. Flughunde schwirren durch die Luft. Unsere abendlichen Spaziergänge sind ein Genuss, erst recht, wenn wir den Ozean rauschen und die Palmen rascheln hören. Momente für die Ewigkeit.
Zur Abwechslung vom Strandleben wollen wir der seychellischen Hauptstadt Victoria einen Besuch abstatten. Nach den französischen kamen die englischen Kolonialherren und benannten sie nach Königin Victoria. Bevor wir das Zentrum der kleinsten Hauptstadt der Welt mit ihren 25.000 Einwohnern erreichen, zeichnen sich im Süden die Umrisse eines Stadions ab. Als Sportjournalist ist meine Neugier geweckt. Wir legen einen Zwischenstopp ein und werden in die Arena gelassen. Dort findet gerade ein Fußballspiel zweier Jugendmannschaften auf Kunstrasen statt.

Das Stade Linité benannte Mehrzweckstadion bietet 10.000 Zuschauern Platz, ein Zehntel der seychellischen Bevölkerung von 105.000 Menschen. Andere Länder, andere Sitten: Die VIP-Tribüne besteht aus sechs gepolsterten Stühlen vor einem riesigen Wandgemälde mit Bergen, Meer und nach dem Sonnenball springenden Kindern sowie Jugendlichen. Eine Pressetribüne gibt es nicht, dafür aber wie überall Securitymitarbeiter. Kein Vergleich zu den hypermodernen deutschen Bundesligastadien, aus denen ich jahrzehntelang für BILD berichtet habe. Hier trägt die seychellische Fußballnationalmannschaft ihre Länderspiele aus.
Auf dem Archipel mit seinen 115 perfekt geformten Inseln, die sich auf nur 455 km² Landfläche, aber über eine riesige Seefläche von 390.000 km² verteilen, ist zwar vieles klein,
doch der Fußball wird großgeschrieben. Obwohl Basketball Sportart Nummer eins im Land ist und die Fußballnationalmannschaft in der FIFA-Rangliste Platz 201 von 210 belegt, lobt der Weltverband sein kleinstes afrikanisches Mitglied überschwänglich. "Die Seychellen, eine überaus fußballbegeisterte Nation", heißt es auf der offiziellen Website Inside FIFA.

Die Nationalmannschaft hat sogar schon einen Titel errungen. Bei den Inselspielen des Indischen Ozeans 2011 (ja, auch so etwas gibt es) im eigenen Land belegten die Seychellen nach Siegen über Mauritius, die Malediven und La Réunion den ersten Rang.
In der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2026 läuft es dagegen nicht gut. Die Insel ist Schlusslicht in einer Gruppe mit der Elfenbeinküste, Gabun, Burundi, Kenia und Gambia, hat null Punkte aus vier Spielen und ein Torverhältnis von 2:22. Die nächste Partie findet am 17. März bei Spitzenreiter Gabun statt. In der Nationalmannschaft steht ein Spieler, der in Deutschland kickt. Charmaine Häusl wurde in der Hauptstadt Victoria geboren, woher seine Mutter stammt. Seit dem 1. Juli letzten Jahres spielt er beim Potsdamer Regionalligisten SV Babelsberg 03. Er absolvierte zwei Partien in der deutschen U 16, fünf in der U 17 und drei Länderspiele für die Seychellen, als einziger Fußballer von einem ausländischen Klub.

Das sind Geschichten, die das Leben schreibt. Eine besonders verrückte schrieb es im September 2010. Damals urlaubte der Schotte Andrew Amers-Morrison auf der Insel. Seine Freundin stammte von dort, und sie besuchten ihre Familie. Einige Verwandte kannten den seychellischen Verbandspräsidenten. Der suchte gerade einen Nationaltrainer und sagte dem Schotten Amers-Morrison, der in England als Trainer tätig war, er solle sich bewerben. Dieser tat es und wurde als Nationaltrainer verpflichtet. Zuvor leitete er in London ein Fußballprojekt für benachteiligte Kinder und war für sein Engagement mehrfach ausgezeichnet worden.

Doch die Sache hatte einen Haken: Der Fußballverband fiel einer Namensverwechslung zum Opfer. Auf der Verbandshomepage wurde bekanntgegeben, dass man den ehemaligen Spieler von Manchester City Andrew Charles Morrison als seychellischen Nationaltrainer verpflichtet habe. Eine englische Zeitung machte den Irrtum publik. Der Ex-City-Spieler Andrew Charles Morrison erklärte, nichts von einer Verpflichtung zu wissen. Verständlich, denn der Verband hatte statt dem bekannten Andrew Charles Morrison von Manchester City dessen unbekannten Landsmann Andrew Amers-Morrison als Auswahltrainer eingestellt. Ein Possenspiel.

Am 31. Dezember 2010 lösten die Verbandsfunktionäre den Vertrag mit dem falschen Andrew Morrison auf und ernannten den Einheimischen Ralf Jean-Louis zu seinem Nachfolger. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Die Ironie an der Geschichte: Nach mehreren Intermezzi ist Jean-Louis wieder Auswahlcoach und von seinem falschen Vorgänger Andrew Amers-Morrison nichts mehr bekannt. Wenigstens kann dieser von sich behaupten, im Urlaub Fußballnationaltrainer geworden zu sein. Unglaublich, aber wahr!
Auf den Seychellen ist deutsche Fußballexpertise gefragt: Der Magdeburger Helmut Kosmehl war von 1992 bis 1993 seychellischer Auswahltrainer. Michael Nees aus Karlsruhe betreute die Nationalmannschaft 2003 und strukturierte die nationale Liga neu, mit zehn Mannschaften in der 1., acht in der 2. und zehn in der 3. Liga.

Wir fahren weiter ins Zentrum von Victoria. Die charmante Hauptstadt ist zur einen Seite von Bergen und zur anderen von Wasser umgeben. Victoria hat zwei Ampeln, vier Häfen, 24 Straßen, keine Parkhäuser und ein Wahrzeichen. Der Clock Tower wird auch Little Big Ben genannt. Zum Unterschied von seinem großen Bruder Big Ben in London schlägt der kleine Big Ben in Victoria stündlich zweimal. Der aus Gusseisen gefertigte Uhrturm steht mitten auf einer lebhaften Kreuzung. Das historische Denkmal ist ein typisches Beispiel viktorianischer Architektur und seit mehr als 120 Jahren Dreh- und Angelpunkt der Hauptstadt. Er gilt als beliebter Treffpunkt und Symbol der Identität der Stadt, das mit seiner eleganten Statur nicht nur viele Touristen anlockt, sondern auch Einheimische.
Es ist Samstag. Der eignet sich besonders gut zum Besuch des Sir Selwyn Selwyn-Clarke Marktes, benannt nach einem geadelten französischen Gouverneur. Verkauft werden Fische, Blumen, Gemüse, Obst, Gewürze, andere Lebensmittel, Schnitzereien, Postkarten, Kleidung - alles, was das Herz begehrt. Zwischen den Verkaufsständen spazieren Reiher, um ein Stück Fisch zu erhaschen.

In den verwinkelten Straßen der Stadt herrscht buntes Treiben mit unaufdringlichen Einwohnern. Wir kommen an einem Stand vorbei, an dem seychellische Frauen die berühmte Coco de Mer verkaufen. Das bedeutet Meereskokosnuss. Sie ist das Wahrzeichen der Seychellen. Früher plumpsten die Nüsse ins Meer, wurden an die Küsten von Indien, den Malediven und Südafrika geschwemmt. Die Menschen glaubten, sie würden vom Meeresboden stammen, weil niemand sie hat wachsen sehen. Die Nuss ist die Frucht der Seychellenpalme, die es nur in diesem Land gibt. Es handelt sich um die größte Nuss der Welt. Ihre Form ist eigentümlich. Die weibliche Frucht sieht wie das Geschlechtsorgan einer Frau aus, der männliche Baum zeigt sich mit einem phallischen Blütenstand. Deshalb gilt die Coco de Mer als die erotischste Frucht der Welt.
Ehe der Baum erwachsen ist, kann es bis zu vierzig Jahre dauern. Nach einem Jahr wächst das erste Blatt, jedes neue braucht ebenfalls ein Jahr. Bis die Nuss reif ist, vergehen weitere sieben bis zehn Jahre. Wenn die Nuss runterfällt, sollte sich besser niemand unter dem Baum aufhalten. Denn sie kann bei einem Durchmesser von vierzig bis fünfzig Zentimeter zwischen fünfzehn und dreißig Kilogramm wiegen. Es gibt mehrere Methoden, die Nuss zu knacken. Unter anderem wird sie mit einer Feinsäge in zwei Hälften geteilt und der von Feuchtigkeit schwere Kern getrocknet. Dann muss er sorgfältig mit einer Feile gelockert und aus der Frucht herausgeschält werden. Anschließend wird er auf eine Schneidemaschine fixiert, geschnitten und verpackt.
Das Fruchtfleisch sieht wie das einer normalen Kokosnuss aus, schmeckt jedoch intensiver und fruchtiger. Es ist ein süßes und weiches Gelee, als Nachtisch eine Delikatesse. Die Coco de Mer in Victoria werden zu einem Preis von 2500 Rupien angeboten. Das sind umgerechnet ca. 167 Euro - pro Stück! Ein teures Vergnügen. Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, hat für eine solche Nuss angeblich 4000 Goldstücke bezahlt. Er kaufte sie für seine umfangreiche Erotiksammlung und ließ sie von einem Prager Experten mit Gold einfassen.

Nicht in die eigene Tasche greifen mussten dagegen der englische Prinz William und seine Ehefrau Kate, obwohl sie es sich hätten locker leisten können. Als sie 2011 ihre Flitterwochen auf den Seychellen verbrachten, überreichte Außenminister Jean-Paul Adam im Namen des seychellischen Präsidenten James Alix Michel bei einer Zeremonie in Mahé dem „zutiefst verliebten“ Paar die "Liebesnuss". Die Eheleute bekamen eine spezielle Lizenz, um sie nach Hause mitnehmen zu dürfen. In ihrer Berichterstattung bezeichnete die britische Rundfunkanstalt BBC das Geschenk als "erotisches Andenken an die Seychellen."
Victoria ist klein, aber der New Pier groß. Er gilt als wichtigster Handelshafen des Inselstaates, an dem riesige Frachter sowie Tanker und große Kreuzfahrtschiffe wie die AIDA anlegen. Ein Blickfang in der urigen Stadt sind die Steine- und Holzhäuser aus dem 20. Jahrhundert mit ihren farbenfrohen Fassaden, Fensterläden und Balustraden, die aus einem rhythmischen Wechsel von kleinen bauchigen Säulen und ihren Zwischenräumen bestehen.
In der Indenpendence Avenue befinden sich gleich mehrere Attraktionen wie das Naturhistorische Museum im alten Justizpalast, das Hauptpostamt, das Nationalmuseum im ehemaligen Gebäude des Obersten Gerichtshofes sowie das Liberty House, auch bekannt als Queen‘s Building. Es soll das älteste Gebäude von Victoria sein. Am Ostende der Independence Avenue steht das Bicentennial Monument, das 1978 anlässlich des 200. Geburtstages der Stadt Victoria errichtet wurde. Ihre Gründung fand 1778 durch den Franzosen Charles Routier de Romainville als Niederlassung des Königs statt. Die drei Flügel des Monuments symbolisieren die Herkunft der seychellischen Bevölkerung aus den drei Kontinenten Asien, Afrika und Europa.
Der Nationalfeiertag am 18. Juni wird ganz groß in Victoria gefeiert. An jenem Datum trat 1993 die neue Verfassung in Kraft. Es gibt einen festlichen Umzug und eine Militärparade im Stade Linité. Mit Sicherheit wird im nächsten Jahr auch ein anderes Ereignis gebührend begangen. Dann werden es fünfzig Jahre, seit die 1600 Kilometer von der afrikanischen Küste entfernten Seychellen ihre Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt haben. In diesem fast halben Jahrhundert hat das weltweit als eines der am sichersten sowie friedlichsten geltende Land einen gewissen Wohlstand erreicht und weist das höchste Bruttoinlandsprodukt von ganz Afrika auf.
Es ist Weihnachtszeit im Paradies. Und wie es sich für die Hauptstadt des Himmelreiches gehört, hat sie sich fein herausgeputzt. An allen Ecken und Enden ist weihnachtlicher Schmuck zu sehen. Aus Lautsprecherboxen erklingt "Merry Christmas Everyone" von Shakin' Stevens. Der Weihnachtssong mit 75 Millionen Aufrufen bei YouTube ist auch hier populär. Wir hören, sehen, bewundern, genießen und staunen. Auch über die schmucke Weihnachtskrippe in der römisch-katholischen Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis, erbaut im französischen Kolonialstil. Die Kirche ist Bischofssitz des Bistums Port Victoria und hat 700 Plätze. Bei Gottesdiensten ist sie so überfüllt, dass die Gläubigen auf den Treppen bis hinaus auf die Straße stehen. Die einheimischen Kreolen sind größtenteils römisch-katholisch. Selbst auf einer kleinen Insel im großen Indischen Ozean ist der christliche Glaube präsent.
Weihnachtlich sieht es auch im Hotel aus. Überall, sowohl drinnen als auch draußen, ist es festlich geschmückt mit künstlichen Tannenbäumen, Schlitten ziehenden Rehen, Geschenkestapeln, Lichterketten an den tropischen Bäumen. Besonders abends glänzt, glitzert und funkelt es auf Schritt und Tritt. Wir spüren und empfinden, dass das Paradies ein Ort der Sehnsucht ist, die Vision einer Welt ohne Egozentrik. Alle Menschen sind freundlich, zuvorkommend und glücklich, obwohl sich hier viele Völker tummeln. Die 800 Hotelangestellten gehören 23 Nationen an. Alle eint sie der Glaube ans Gute. Wie schön, wenn dies überall auf der Welt so wäre.
Generalmanager Stephane stammt aus Straßburg, Gästemanager John aus Mauritius, Sommelier Kosta aus Kasachstan, Zimmerjunge Dipendra aus Nepal, die Kellner Raphael aus Tansania, Nanto aus Bangladesch und Saranga aus Sri Lanka, um einige stellvertretend zu nennen. Wie beim Turmbau zu Babel sprechen die Menschen hier viele Sprachen, aber keine verwirrenden wie dort. Schließlich befinden sie sich ja im Paradies. Adam und Eva sind wir nicht begegnet. Aber auch ohne sie haben wir göttliche Zustände vorgefunden. Natürlich herrscht im Himmelreich nicht nur eitel Sonnenschein. Es gibt auch mal Regen, ohne den es aber nicht so saftig grün wäre.
Wie schade, dass nach fünfzehn Tagen der Moment des wehmütigen Abschiedes gekommen ist. Am Abreisetag wartet noch eine faustdicke Überraschung auf uns: ein wunderbar geschmückter Frühstückstisch mit der seychellischen Nationalflagge, englischen und deutschen Abschiedsgrüßen auf den Papierumrissen der Seychellen und Deutschlands, vielen aromatisch duftenden Blumen wie rote Frangipani, pinke Bougainvillea und gelbe Wanderiris, umrankt von grüner Horntrespe. Ganz groß ist der Schriftzug "Good bye" auf dem himmlisch geschmückten Tisch erkennbar. Saranga hat die gelungene Überraschung organisiert. Wir sind hin und weg. So etwas haben wir in knapp 30 Jahren Fernreisen noch nirgends erlebt. "Man denkt an das, was man verließ. Was man gewohnt war, bleibt ein Paradies", schrieb Johann Wolfgang von Goethe in Faust. Das wird die Trauminsel Mahé für uns bleiben.
Als ich nach der Rückkehr etwas mitgebrachten Sand im dafür bestimmten Behälter mit den Miniflaggen der von uns bereisten Länder ausschütte, stelle ich mit Erstaunen fest, dass im Gefäß mit dem Sand aus aller Welt keiner so weiß ist wie dieser. Weiß steht für Reinheit, Ruhe, Ehrlichkeit, Klarheit, Vollkommenheit und Leichtigkeit. All dies haben Gerti und ich auf den Seychellen vorgefunden. Und sollten wir einmal den Weg in die Ewigkeit antreten, wollen wir nicht mehr ins Paradies gelangen. Denn wir waren ja schon da...
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