Eusébio, Madonna, James Bond, Ronaldo, Bölöni und das magische Licht! Ein Trip durch die weiße Stadt Lissabon
- Helmut Heimann
- 4. Mai
- 15 Min. Lesezeit
Als wir in Lissabon ankommen, muss ich an Hermann Löns denken. „Das wichtigste Stück des Reisegepäcks ist und bleibt ein fröhliches Herz", meinte der Heidedichter. Bei Gerti und mir ist es nicht anders. Etwas fällt uns sofort auf und hebt sich wohltuend von Deutschland ab. Die Menschen wirken nicht gehetzt. Keine Hektik, entspannte Gesichter, alles locker vom Hocker. Eine andere Welt. Und dann noch dieses magische Licht, dessen Helligkeit bewegungslos durch die Straßen flutet. Es wurde von Sängern euphorisch besungen, von Schriftstellern hymnisch beschrieben, von Malern farbenfroh auf Leinwände gepinselt. „Für mich gibt es keine Blumen, die so bunt sind wie Lissabon an einem sonnigen Tag“, schwärmte der größte portugiesische Dichter, Schriftsteller und Denker Fernando Pessoa. Er wurde in der Hauptstadt geboren, lebte fast nur hier und ist auch da begraben.
Lissabon wird weiße Stadt genannt. Sie ist aus hellen Materialien, vor allem aus weißem Kalkstein gebaut, die das Licht streuen und reflektieren, sodass es noch intensiver wirkt. Die Magie des weißgoldenen Lichtes ist überwältigend, Glanz und Leuchtkraft nur schwer in Worte zu fassen. Der Fluss Tejo, der aus Spanien kommt und in der Nähe von Lissabon in den Atlantik mündet, reflektiert es den ganzen Tag.

Wir spazieren durch die Unterstadt Baixa, das stilvolle alte Geschäftsviertel Lissabons, wo sich unser Hotel befindet. Die Straßen sehen wie auf einem Schachbrett angeordnet aus. Unterwegs überqueren wir den wunderschönen Rossio-Platz mit seinem psychedelisch wirkenden Muster aus schwarz-weißen Wellen, das überall über den Boden wabert. Es symbolisiert die Nähe zum Meer und die Wichtigkeit des Wassers für Lissabon. In der Stadt am Fluss ist alles im Fluss. Sogar die Sitzflächen der Bänke auf den Straßen und Plätzen sind in Wellenform gestaltet. Wir folgen den Wogen in Schwarz-Weiß und lassen uns gemächlich von ihnen treiben.

In der Ferne taucht ein kunstvoll verzierter Triumphbogen in unserem Blickfeld auf. Wir durchschreiten sein einladendes Tor und stehen auf der Praça do Commércio, ein unglaublich schöner, großer Platz, auf dem vor dem vernichtenden Erdbeben von 1755 der Königspalast stand, der damals vollkommen zerstört wurde. Der Platz wird von hübschen gelben Gebäuden umsäumt. Und dann erblicken wir ihn plötzlich - den Tejo. Der Platz liegt direkt an seinem Ufer. Ohne unseren ersten Weg nach der Ankunft zu kennen, haben wir den Fluss auf Anhieb gefunden, obwohl wir ihn gar nicht gesucht haben. Als hätte er uns wie ein Magnet angezogen. Sein Anblick ist so, wie ihn Pascal Mercier in seinem Erfolgsroman „Nachtzug nach Lissabon" beschreibt: „Auf dem Tejo spiegelten sich die Wolken. In rasendem Tempo jagten sie hinter den sonnenglitzernden Flächen her, glitten darüber, verschluckten das Licht und ließen es stattdessen an anderer Stelle mit stechendem Glanz aus dem Schattendunkel hervorbrechen."
Wir lassen uns von der prächtigen Stimmung anstecken, flanieren am Fluss entlang, der hier wie ein großer See aussieht und westlich von Lissabon in den Atlantik mündet. Weshalb Lisboa, wie die Portugiesen ihre Hauptstadt nennen, die einzige in Europa mit Zugang zum Atlantischen Ozean ist. Türkisblaues Wasser, viele Segelboote und einige Fähren, ab und zu ein Kreuzfahrtschiff, das laute Kreischen der lustigen Möwen - all das verleiht unserem Schlendern nicht nur wegen der spritzenden Wellen einen sprühenden Charme und eine anziehende Faszination.

Am Ufer steht ein mobiler Cocktailstand. Wir setzen uns an der Flusspromenade auf den Hosenboden, erheben die Gläser auf die ganze Welt und lassen sie hochleben. Dabei lernen wir ein ganz besonderes portugiesisches Lebensgefühl kennen. Saudade. Ein Zauberwort, das ebenso wenig in eine andere Sprache übersetzt werden kann wie das urdeutsche Wort Heimat. Ein Begriff, der soooo viele Gefühle ausdrückt: Traurigkeit, Weltschmerz, Nostalgie, Zuneigung, Hoffnung, Melancholie. Saudade ist wie ein warmer Wind, der vom Tejo her weht und uns ans Zuhause erinnert, an die Anwesenheit der Abwesenheit.
Es gibt auch saudade nach einer Stadt wie in diesem Fall Lissabon, wo die Sonne langsam im breiten Fluss versinkt. Es ist die goldene Stunde. Eine Farbsymphonie in Orange und Rot lässt das Wasser glänzen, funkeln und glitzern. Mir fällt der österreichische Song „Shananana" von Brunner & Brunner ein. Darin heißt es: „Sag' mir, wie weit ist's zu den Sternen/und wo geht die Sonne hin, wenn sie versinkt?/Ist das Jenseits hinter'm Horizont/und warst du schon einmal da/und wird es wieder so, wie's einmal war?" Von mir aus kann jeder Tag saudade sein. „Das Glück des Augenblicks lässt sich nur finden, wenn wir genug Zeit haben, es zu suchen", so der österreichische Schriftsteller Ernst Ferstl. Gerti und ich haben genug Zeit - und wollen endlich den salzigen Duft des Ozeans riechen.
Fahrer Carlos bringt uns an die Costa da Caparica, eine halbe Stunde Autofahrt von Lissabon entfernt. Er ist 70, aber man sieht ihm sein Alter nicht an. Ein drahtiger, muskelgestählter, vitaler Typ, der vor mehr als dreißig Jahren portugiesischer Boxmeister im Superleichtgewicht war. Während wir am langen Atlantikstrand mit den mächtigen Wellen und der beeindruckenden Naturlandschaft spazieren, macht Carlos Beintraining wie früher als Boxer. Dann erblicken wir ihn - nicht Carlos, sondern Eusébio. Einer der torgefährlichsten Stürmer der Fußballgeschichte, der wegen seiner katzenartigen Spielweise Pantera Negra genannt wurde. Schwarzer Panther. Obwohl er vor elf Jahren verstarb, ist sein Geist allgegenwärtig. Wie auch hier am schönsten Sandstrand Lissabons, wo ein Fischrestaurant seinen Namen trägt und sein Porträt mit dem Schriftzug „Eusébio sempre“ („Eusébio für immer“) auf der Fassade prangt.

„Reisen macht Dich zuerst sprachlos, dann verwandelt es Dich in einen Geschichtenerzähler", sagte der marokkanische Abenteurer Ibn Battuta. Auf der Rückfahrt erzählt Carlos über den Nationalhelden der Portugiesen: „Ich war elf, als wir bei der Weltmeisterschaft in England im Viertelfinale auf Nordkorea trafen. Portugal galt als haushoher Favorit, Nordkorea bei seiner ersten Teilnahme als Zwerg. Ich sah das Spiel im Fernsehen und einen überraschenden asiatischen Blitzstart. Die Nordkoreaner lagen nach 24 Minuten 3:0 vorn. Aber wir hatten ja unseren Eusébio. Er erzielte vier Treffer, wir gewannen 5:3. Am Ende wurden wir Dritter, die beste WM-Platzierung ever und Eusébio mit neun Treffern Torschützenkönig". Eine Legende war geboren. Ich habe den geschmeidigen Panther nicht zubeißen sehen, da ich damals zu klein war. Mit acht Jahren bekam ich mein erstes Sportbuch von einem deutschen Verlag ins rumänische Banat geschickt. Es hieß „Fußballweltmeisterschaft 1966" und war im Münchener Copress Verlag erschienen. Darin las ich staunend von den weltmeisterlichen Heldentaten des magischen Ballkünstlers Eusébio.

Welch hohen Stellenwert der Topstürmer von Benfica Lissabon in der portugiesischen Gesellschaft weiterhin genießt, sehen wir im Nationalen Pantheon. Die Ruhmeshalle Portugals befindet sich in der Kirche Igreja de Sante Engrácia. Ein beeindruckender Barockbau, der die Grabstätten der berühmtesten Bürger des Landes beherbergt: Könige, Dichter, Präsidenten, Schauspieler, Seefahrer - und als einziger Sportler Eusébio. Wie sehr er verehrt wird, stellen wir an seinem Sarg fest. Es ist der einzige im Pantheon, an dem eine Vase mit Blumen steht. Es sind kleine Flamingoblumen in den portugiesischen Nationalfarben Grün und Rot.

Portugal hatte und hat auch andere weltberühmte Fußballer wie Luís Figo oder Cristiano Ronaldo. Am meisten geliebt wird jedoch Eusébio, weil er der erste Superstar des Landes war. Als Portugal 2016 Europameister wurde, fuhr die Mannschaft im offenen Bus durch Lissabon, gefeiert von Hunderttausenden. Der Bus hielt vor der Geschäftsstelle des Portugiesischen Fußball-Verbandes mit dem überlebensgroßen Porträt von Eusébio auf der Fassade. Und Renato Sanches, der nach der EM von Benfica zu Bayern München wechselte, stimmte ein Lied an, das die Fans von Benfica vor jedem Spiel inbrünstig singen und in das die Menschen beim Triumphzug der Euro-Helden einstimmten: „Tu es o nosso rei, Eusébio, descansa eternamente!“ („Du bist unser König, Eusébio. Ruhe in Ewigkeit!").
Eusébio und Benfica - das ist eine Liebesbeziehung für die Ewigkeit. Die Statue des Schwarzen Panthers steht vor dem Estádio da Luz. Im Stadion des Lichts trägt Benfica die Heimspiele aus. Und wieder sind wir beim Licht. Wir sitzen gegen den Moreirense FC in der Arena, die mit 58.000 Leuten gut gefüllt ist. Alle singen die Hymne auf Eusébio, sind in Benficas Vereinsfarbe Rot gekleidet, schwenken rot-weiße Fanschals. Auf LED-Leuchtbändern entlang der Tribünen blinkt es rot auf. Das ganze Stadion scheint in Flammen zu stehen. Sein Dach sieht wie die Schwingen eines Adlers aus. Er ist das Wappentier von Benfica, mit über 400.000 Mitgliedern zusammen mit Bayern München weltweit größter Sportverein. Vor dem Anpfiff dreht ein richtiger Adler mit rot-weißen Bändern an den Krallen unbeeindruckt seine Runden durchs Stadion, setzt sich im Mittelkreis auf ein Schild. Außergewöhnlich.

Als Sportreporter habe ich in 22 Jahren für BILD in vielen Stadien gesessen, aber solch eine fantastische Stimmung nirgends erlebt. Gänsehaut pur! Leider sind die Adler auf dem Rasen flügellahm und längst nicht so schwungvoll wie vorher der Adler in der Luft, obwohl mit Kapitän Nicolás Otamendi ein aktueller argentinischer Weltmeister bei ihnen spielt. Der andere argentinische WM-Champion Ángel Di María fehlt verletzt. Benfica zittert sich zu einem mühsamen 3:2-Sieg. Moreirense, war da nicht mal was? Klaro! Der deutsche Trainer Roger Schmidt kann ein Lied davon singen. Nachdem er Benfica in seiner ersten Saison zur Meisterschaft führte, wurde Bayern München auf ihn aufmerksam, wollte ihn im vergangenen Jahr als Nachfolger von Coach Thomas Tuchel verpflichten. Doch Benfica überredete Schmidt zum Bleiben - und feuerte ihn am 4. Spieltag der laufenden Saison nach einem Remis in Moreirense, obwohl sein Vertrag noch bis 2026 lief. Pech gehabt! Wie ein anderer Deutscher namens Jan-Niklas Beste. Benfica kaufte den Heidenheimer Nationalspieler vor Saisonbeginn für zehn Millionen, verkaufte ihn nach nur einem halben Jahr für acht Millionen zum SC Freiburg - und machte zwei Millionen Euro Miese.

Mit Benfica hat auch eine weltberühmte Popsängerin zu tun. Nachdem sich Madonna vor mehr als zwanzig Jahren während einer Tournee in die charmante Stadt am reizenden Fluss verliebt hatte, kaufte sie mehrere Anwesen in Lissabon und Umgebung. Eines steht genau im Stadtzentrum: Der Palácio do Ramalhete aus dem 17. Jahrhundert hat 16 Zimmer und einen beheizten Pool. Dort wohnte die Diva mit Adoptivsohn David, der die Nachwuchsakademie von Benfica besuchte. Auf Instagram zeigte sich die Queen of Pop im roten Benfica-Trikot und postete ein Bild von David auf der Tribüne des Estádio da Luz. Nach zwei Jahren zog Madonna aus dem Palast aus, blieb aber Portugal treu, das sie als „Paradies" bezeichnete. Sie veröffentlichte ein Video über den „Zauber von Lissabon", den sie eine Zeit lang im Umland der Metropole genoss.
Als wir mit Carlos die Kleinstadt Sintra vor den Toren Lissabons besuchen, in der sich Märchenburgen und Schlösser in einer feenhaften Berglandschaft aneinanderreihen, halten wir vor der Villa Quinta do Relogio. Sie wurde 1865 im Stil eines neomaurischen Palastes erbaut, ist von zwei Hektar Land umgeben und von Madonna gekauft worden. Zum Zeitpunkt unseres Besuches befindet sich die Villa in Renovierung. Die Sängerin kommt immer wieder gerne nach Lissabon zurück. Vor zwei Jahren feierte sie hier mit ihren sechs Kindern und dreißig Freunden aus der ganzen Welt den 65. Geburtstag. „Die Energie von Portugal ist so inspirierend. Ich fühle mich sehr kreativ und lebendig hier", schrieb sie unter einem Instagram-Bild.
Von Sintra sind wir mit Carlos in einer Viertelstunde in Estoril, einem Vorort von Lissabon. In Estoril fand lange Zeit der Große Preis von Portugal in der Formel 1 statt. Hier steht das erste Casino Europas, das im 2. Weltkrieg viele reiche Flüchtlinge ins neutrale Portugal anzog, in ihrem Schlepptau jede Menge Spione von Geheimdiensten. In diesem Casino inspirierte sich der britische Schriftsteller Ian Fleming für seine James-Bond-Romane. 1953 veröffentlichte er „Casino Royale“, den ersten Band der Reihe. Die Vorlagen für die Casinoszenen stammten alle aus Estoril.
Der sechste Bond-Spielfilm „Im Geheimdienst Ihrer Majestät" mit George Lazenby in seiner einzigen Titelrolle wurde 1969 zum größten Teil in Portugal gedreht. Darin fuhr der berühmte Agent 007 über eine bekannte Hängebrücke in Lissabon. Damals hieß sie nach dem Diktator Ponte Salazar. Nach der Nelkenrevolution 1974 wurde sie in Ponte 25 de Abril umbenannt. Nelkenrevolution deshalb, weil Frauen den Soldaten zur Begrüßung rote Nelken in die Gewehrläufe steckten. Die Ponte 25 de Abril ähnelt der Golden Gate Bridge in San Francisco wegen ihrer Architektur und roten Farbe. Während wir über die Golden Gate Bridge gehen konnten, ist das bei der 2789 Meter langen Brücke über den Tejo verboten. Nur einmal im Jahr wird der Auto- und Eisenbahnverkehr gesperrt, können Fußgänger sie überqueren.
Die Ponte ist von vielen Stellen in Lissabon zu sehen, denn die älteste Stadt Westeuropas ist wie Rom oder Barcelona auf sieben Hügeln erbaut. Dementsprechend gibt es zahlreiche tolle Aussichtspunkte, steile Treppenwege, viel Kopfsteinpflaster, verwinkelte Gassen und lauschige Plätze. Da wir überwiegend zu Fuß unterwegs sind, müssen wir uns ganz schön ins Zeug legen. Die Stäffele in meinem Wohnort Stuttgart sind ein Klacks gegen die herausfordernden Treppenwege in Lissabon und das unebene Kopfsteinpflaster aus weißem Kalkstein und schwarzem Basalt. Trotzdem kommen wir auf einen Tagesschnitt von 16 Kilometern. Unsere Bestleistung sind 22 Kilometer. Wer Orte zu Fuß erkundet, erlebt sie auf eine intensivere Weise. „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“, schrieb Johann Wolfgang von Goethe.

Am besten sieht man die Brücke von der Cristo Rei, wie die Portugiesen die Christus-Statue nennen. Sie ist 28 Meter hoch, thront auf einem 75 Meter hohen Sockel, der 113 Meter über dem Meeresspiegel steht. Wir fahren mit der Fähre über den Tejo nach Almada, eine Stadt auf der gegenüberliegenden Seite Lissabons, in der Luis Figo geboren ist. Nach einem halbstündigen Aufstieg sind wir ganz oben und werden bei herrlichem Wetter mit einer phänomenalen Aussicht belohnt. Die Ponte bietet sich unseren staunenden Blicken in ihrer vollen Pracht dar. Wir fühlen uns wie in Brasilien. Nicht nur wegen der hier wie dort gesprochenen portugiesischen Sprache. Sondern auch, weil die Statue jener in Rio de Janeiro ähnelt, die wir ebenfalls besichtigt haben. Ein Lissabonner Stadtviertel heißt São Paulo. Im brasilianischen São Paulo leben meine Cousins, die wir an der Copacabana getroffen haben.
Wir sind aber nicht nur zu Fuß oder mit der Fähre unterwegs. Ein absolutes Muss ist die Fahrt mit der legendären gelben Straßenbahn Nummer 28. Die Ära der Eléctricos in Lisbao begann 1901, als von Pferdeantrieb auf elektrischen Betrieb umgestellt wurde. Die Warteschlangen an den Haltestellen sind riesenlang. Alle wollen das Ächzen und Quietschen hören, das Ruckeln spüren, wenn sich die Straßenbahn holpernd, schüttelnd und klingelnd durch die engen Gassen mit Steigungen von 13,5 Prozent wie anno dazumal schlängelt.

Lissabon ist nicht nur altertümlich, sondern auch schick, trendy, en vogue - wie die Pink Street. Sie sieht tatsächlich so aus - also pink. Ein begehrter Instagram-Hotspot. Benannt ist sie wegen der Farbe des markanten rosa Läufers, der sie bedeckt. Lisboa ist aber auch cool, was die Wahl des britischen Magazins „Time out" zur Bestimmung der angesagtesten Stadtviertel der Welt beweist. Im Vorjahr konnte sich der mondäne Stadtbezirk Principe Real unter die ersten Zehn platzieren.
Nicht sattsehen können wir uns an den vielen blauen Häusern. Sie verleihen der Metropole einen besonderen Charme mit ihren Balkonen, deren Gitter aus fein ziseliertem Schmiedeeisen sind und den mit bemalten Kacheln gestalteten verwinkelten Fassaden, den Azulejos. Seit über 500 Jahren schmücken die Portugiesen ihre Wände mit solchen Fliesen. Bei ihrem Anblick fällt mir der Spruch „Doppelt lebt, wer nicht nur sieht, sondern mit allen Sinnen wahrnimmt und genießt" der Autorin Ursula Kohlhaupt ein.

Die beliebtesten Straßen und Plätze in Lissabon haben einen Tauf- und Rufnamen. Einzigartig.
Das ist auch die Abkürzung CR 7. C steht für Cristiano, R für Ronaldo und 7 für die Rückennummer eines der berühmtesten Fußballer aller Zeiten. Ronaldo wurde in der Jugendakademie von Sporting Lissabon ausgebildet, dem anderen Traditionsverein aus der Hauptstadt. Sein Entdecker ist László Bölöni. Er bestritt 102 Länderspiele für Rumänien, holte mit Steaua Bukarest den Europapokal der Landesmeister. Zwischen 2001 und 2003 war er Trainer bei Sporting, gewann das Double aus Meisterschaft und Pokal. In jener Zeit sah er den 17-jährigen Ronaldo bei einem Testspiel und beschloss, ihn in seine Mannschaft zu holen. Nach dem ersten Training war für ihn sofort klar, dass er ihn nie mehr gehen lassen würde. Und die großartige Karriere von Cristiano nahm ihren Lauf.
In Lissabon ist CR 7 selbst in Abwesenheit überall präsent. Wir kommen an seinem Hotel mit dem Namen CR 7 vorbei, sehen ihn als lebensgroße Wachsfigur in vielen Fanshops stehen, eine Schokolade wurde nach ihm benannt. Und, und, und. Obwohl Sporting während unseres Besuches kein Heimspiel hat, gehen wir zum Estádio José Alvalade XXI, in dem die Grünen ihre Heimspiele austragen, und sehen das Foto von Ronaldo auf der Vorderfront, daneben sein Name mit der Nummer 7. Bis 2003 spielte er hier.

Ich habe Bölöni ein einziges Mal gesprochen. Damals war ich bei BILD und der Trainer von Sporting zu Stade Rennes gewechselt. Mit den Franzosen musste er 2005 in der Europaleague gegen den VfB Stuttgart ran. Mein am Tag des Spieles erschienener Bericht trug die Überschrift „Bölöni will dem VfB den Zahn ziehen" (siehe Faksimile). Während seiner Zeit in Rumänien gehörte der ethnische Ungar zu den besten Zahnärzten Rumäniens und widerlegte eindrucksvoll das Vorurteil, dass Fußballer nichts in der Birne haben. Bedingung für seinen Wechsel von ASA Târgu Mureș zu Steaua war das Einrichten einer Zahnarztpraxis beim Militärklub. Dort hat er in seiner Freizeit Trainer und Mitspieler behandelt. Aber dem VfB konnte er nicht den Zahn ziehen. Die Stuttgarter siegten in Rennes 2:0.

An meinem Geburtstag gibt's ganz viel saudade. Wir feiern im „Club de Fado", ein Klassiker im Herzen von Alfama, dem mit seinen engen Gassen, ansteigenden Wegen, hübschen Ziegeldächern sowie attraktiven Aussichtspunkten schönsten und ältesten Viertel Lissabons. Das Restaurant befindet sich unweit der Kathedrale mit ihrem besonderen Baustil, eine gelungene kunstvolle Mischung aus Barock, Romantik sowie Gotik. Ein Fado-Lokal, dessen Architektur durch massive Wände, stilvolle Bögen und Säulen sowie eine spitzbogige Decke besticht. Im Kellergewölbe herrscht eine gemütliche Atmosphäre. Das Wort Fado stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Schicksal. Der Musikstil entstand im 19. Jahrhundert genau hier in diesem Viertel, das damals zu den ärmsten von Lisboa gehörte. Fado ist der Klang der Saudade, seine Musik drückt starke Gefühle aus. In Lissabon gibt es ein Fado-Museum, im Fernsehen einen Fado-Chanel, im Radio den Sender Antena 1 Fado. Der Fado ist überall und seit 2011 immaterielles Weltkulturerbe.
Wir sitzen unweit der Musiker. Genießen es, wenn die Gitarren seufzen und wehklagen, die Sänger mit melancholischen Stimmen und ausdruckstarker Mimik von Liebe, Verrat, Eifersucht und Weltschmerz singen. Die Gäste lauschen fast schon andächtig den mit viel Gefühl und Pathos vorgetragenen Liedern. Wir lassen uns zum Einstieg den leckeren Kirschlikör Ginjinha munden und später einen süffigen Weißwein mit aromatischem Bukett aus Setúbal. Dazu essen wir Caldo Verde, eine Grünkohlsuppe, danach Bacalhau mit Bohnenreis, also Kabeljau. Die Portugiesen behaupten, dass es für jeden Tag des Jahres ein Kabeljau-Rezept gibt, weil der Bacalhau so beliebt ist. Das Essen schmeckt vorzüglich, sein würziger Duft kitzelt die Nase. Verständlich, denn Lissabon ist zum kulinarischen Reiseziel Europas gewählt worden und hat Konkurrenten wie Paris oder London bei den World Culinary Awards hinter sich gelassen. Es gibt hier 14 Sterne-Restaurants, darunter zwei mit Michelin-Sternen. Wir sind einer Meinung mit dem französischen Schriftsteller François de La Rochefoucauld: „Essen ist ein Bedürfnis, Genießen eine Kunst“. Bom apetite!
Der Kreis beginnt sich zu schließen. Wir sind wie zu Reisebeginn auch an ihrem Ende am großen Wasser, atmen die frische Luft in tiefen Zügen ein. Das Sprichwort „Alles Gute kommt vom Meer" wurde in Lissabon erfunden. Wir erblicken den Torre Vasco da Gama, ein Turm, der von weitem wie ein riesiges aufgeblähtes Segel aussieht und zur Expo 1998 errichtet wurde. Nicht nur er, sondern auch die mit 17,2 Kilometern in seiner Nähe über den Tejo verlaufende längste Brücke Europas wurde nach Vasco da Gama benannt. Dem Namen des berühmten Seefahrers werden wir noch paarmal begegnen. Als wir unsere Blicke über das beeindruckende Bauwerk schweifen lassen, können wir die starke Sehnsucht der Portugiesen nach der großen weiten Welt gut verstehen.

Wir wechseln die Kulisse, bleiben aber am Wasser. Belém, portugiesisch für Bethlehem, ist ein attraktives Stadtviertel im Westen Lissabons und bekannt für den Torre de Belém, eine markante Festungsanlage, UNESCO-Weltkulturerbe und Wahrzeichen der Hauptstadt. In der Nähe befindet sich das Denkmal der Entdeckungen mit kunstvoll gestalteten, detailreichen Figuren, die berühmte portugiesische Seefahrer darstellen. Alle blicken aufs Wasser, unter ihnen Heinrich der Seefahrer. Ein neugieriger Prinz, dessen Hobby die Seefahrt war und der zum ersten Mal Schiffe ausschickte, die seinen Berechnungen folgten, ein Weltreich für Portugal fanden und es zu einer Seegroßmacht machten. Wie Vasco da Gama, dessen Grab sich in der Nähe im Altarraum der Kirche Santa Maria befindet.

Er schaffte 1498, was Christoph Kolumbus nicht gelang - den Seeweg nach Indien zu finden. Wenn sich seine Entdeckung zum 530. Mal jähren wird, werde ich im Blog den Beitrag „Auf den Spuren großer Seefahrer rund um die Welt“ schreiben, neben Vasco da Gama auch über Christoph Kolumbus, James Cook, Abel Tasman, Francis Drake sowie Ferdinand Magellan, deren Heldentaten wir auf unseren Reisen hier sowie in der Karibik, Australien, Hawaii, Neuseeland, Chile und Argentinien begegnet sind.
Nach sieben Tagen ist die Zeit des Abschieds gekommen. Er fällt alles andere als leicht. Unser Gepäck ist viel schwerer als bei der Anreise, weil wir so viele schöne Erlebnisse und Erinnerungen mitnehmen. Im beliebten Fadolied „Adeus Lisboa" singt Alberto Ribeiro: „Auf Wiedersehen Lissabon voller Licht und Farbe."

Wir nehmen Licht und Farbe im Koffer mit. Aber mit den Wellen geht das nicht. Trotzdem empfangen sie uns bei der Ankunft in Deutschland. Unser achtjähriger Patenjunge Jakob hat das Papier zum Verpacken meines Geburtstagsgeschenkes kunst- und mühevoll mit vielen bunten Linien in Wellenform bemalt, obwohl er nichts über die lieblichen Wellen von Lissabon wusste. So werden sie für immer bei uns sein und an die weiße Stadt mit ihrem magischen Licht erinnern. Adeus, Lisboa!
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