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Eine neue Ära beginnt

Im Laufe meines jahrzehntelangen Journalistenlebens hat sich die Medienwelt gravierend verändert. Als ich 1984 bei der "Neuen Banater Zeitung" (NBZ) in Temeswar als Redakteur eingestellt wurde, musste ich die Sporttabellen sechs Jahre lang mit dem Bleifstift ausrechnen. Die Ergebnisse wurden zusammentelefoniert. Und weil es nur wenige Schreibmaschinen gab, schrieben die Redakteure ihre Berichte mit der Hand, eine Daktylografin tippte sie ab. Nach Fußballspielen von Poli Temeswar bin ich in die Druckerei geeilt und habe dem Schriftsetzer meinen Spielbericht aus dem Stegreif in seine Schreibsetzmaschine diktiert. Es wurde mit Bleisatz gearbeitet. Zum Schutz vor Bleivergiftung gab es für die Schriftsetzer einen Liter Milch pro Arbeitseinsatz. "Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen", wusste der Schauspieler Peter Ustinov. Und so kam es dann auch.


Nach der Auswanderung bin ich 1991 als Sportredakteur bei BILD gelandet und arbeitete mehr als 22 Jahre lang in der Stuttgarter Außenredaktion. Ein Jahr nach der Anstellung war ich für BILD am letzten Bundesligaspieltag in Leverkusen dabei, wo der VfB Stuttgart in Unterzahl durch ein Kopfballtor von Weltmeister Guido Buchwald vier Minuten vor dem Abpfiff zum vierten Mal in seiner Vereinsgeschichte Deutscher Meister geworden ist. Für mich war es der erste Meistertitel, den ich als Sportjournalist live erleben konnte, und dementsprechend freute ich mich. (Siehe Foto)


Anfangs brachte ich die Sekretärinnen mit meinem aus Rumänien stammenden Wortschatz in Verlegenheit, wenn ich bei den Satzzeichen Beistrich diktierte. Sie kannten nur die Bezeichnung Komma. Beim Wort Gelsen hielten sie inne. Gelsen? Was bitte soll das denn sein? Der griffbereite Duden im Sekretariat gab ihnen die Antwort. Im österreichischen Hochdeutsch wird das Wort Gelsen für Stechmücken gebraucht. Mit dem Schlusspfiff musste der Spielbericht telefonisch übermittelt sein. Die Rotationssmaschinen in der Druckerei warteten nicht. Im Morgengrauen wurde die Zeitung an die Kioske ausgeliefert.


Vergangenes Jahr saß ich bei UTA in Arad auf der Pressetribüne des neuen Stadions und staunte nicht schlecht. Es gab WLAN, die Reporter schrieben ihren Spielbericht auf dem Laptop. So ändern sich die Zeiten. Heute gibt es soziale Netzwerke. Die Benutzer teilen Informationen, Fotos, Videos und andere Arten von Inhalten auf Facebook, Instagram, WhatsApp, Pinterest, LinkedIn, TikTok, YouTube oder X, ehemals Twitter. Und ich? Ich werde ab heute bloggen. Für mich beginnt sozusagen eine neue Ära. "Es ist nie zu spät, das zu werden, was man hätte sein können", meinte die Journalistin Mary Ann Evans alias George Eliot. Das gilt mit 66 Jahren auch für mich. Kein Wunder, dass Udo Jürgens das Lied sang "Mit sechsundsechzig Jahren, da fängt das Leben an". Und schon der russische Schriftsteller Leo Tolstoi wusste: "Man muss eine Aufgabe vor sich sehen und nicht ein geruhsames Leben." Wie in meinem Fall.


Im Banat war früher die gute Stube das Paradezimmer. Solch eine gute Stube wird mein Blog sein. In diesem virtuellen Paradezimmer werde ich mich wohlfühlen. Hier kann ich tun und lassen, was ich will. Genauso, wie ich die Meinungen anderer respektiere, erwarte ich das für meine Meinung. Ich sage immer, was ich denke und denke immer, was ich sage..

Das Logo des Blogs ähnelt dem Symbol für Infinity oder Unendlichkeit, also einer liegenden Ziffer acht. Das beliebteste und am meisten verwendete Synonym für Unendlichkeit ist Welt. Deshalb ist die Weltkugel im Bloglogo enthalten. Was gibt es Schöneres, als durch unsere herrliche Welt zu reisen? Meine Lebensgefährtin Gerti und ich machen das seit 26 Jahren und haben festgestellt, dass es neben dem Heimweh auch ein Fernweh gibt.


In meinem Blog werde ich über Reisen berichten, über Sport, der durch eine andere runde Kugel im Logo dargestellt wird - einen Fußball. Bloggen werde ich ebenso über Konzerte, Geschichte, das aktuelle Zeitgeschehen - in Form von Kommentaren, Glossen, Kolumnen, Erlebnisreportagen, illustriert mit Fotos. Je nach journalistischer Gattung wird die Zeilenlänge der Beiträge unterschiedlich sein. Ich beabsichtige, regelmäßig zu schreiben. Doch das wird angesichts unserer Reisen nicht immer möglich sein. Weshalb ich mit dem Verständnis der Leserinnen und Leser rechne. Im Blog werden einige meiner Beiträge verlinkt, die in anderen Medien erschienen sind und weiterhin erscheinen werden.


Unendlichkeit steht ebenso für Endlosigkeit, Grenzenlosigkeit, Unbegrenztheit, Unbeschränktheit und Weite. Zur Endlosigkeit passt der Spruch von Oscar Wilde unterhalb des Logos: "Alles wird am Ende gut, und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende." Also unendlich... Der Horizont ist unbegrenzt, das Reisen ohne Grenzen genauso befreiend wie unbeschränktes Schreiben. Denn ab jetzt bin ich mein eigener Herr. Bloggerherz, was willst Du mehr?


Und zu guter Letzt kommt noch die Weite hinzu. Immer, wenn ich dieses Wort lese oder höre, muss ich an die magische Weite der Banater Landschaft und ihres majestätischen Himmels denken. Schon als Kind habe ich diese Weite in vollen Zügen genossen. Ich nahm das Fahrrad, eine weiche Wolldecke und fuhr aus meinem Geburtsort Großjetscha auf einem staubigen Feldweg Richtung Hatzfeld. Irgendwann luden mich einige knorrige Maulbeerbäume am Straßenrand zum Verweilen ein. In ihrem wohltuenden Schatten breitete ich die Decke aus, ließ die Seele baumeln und schaute den ziehenden Wolken nach wie im gleichnamigen weltberühmten Gemälde des Malers Caspar David Friedrich, einem der bedeutendsten Künstler der deutschen Romantik, dessen 250. Geburtstag sich im kommenden September jähren wird.


Wenn ein zarter Windhauch die Maulbeerblätter streichelte, schienen sie mir zuzuflüstern: "Wie schön, dass Du wieder gekommen bist." Manchmal zogen fahrende Gesellen mit ihren bunten Pferdewagen vorbei. Ich hörte in Gedanken Alexandra das Lied "Zigeunerjunge" singen. Damals lebte die beliebte Sängerin mit dem tiefen Timbre in der rauchigen Alt-Stimme noch. Und ich musste unwillkürlich an das Gedicht "Drei Zigeuner" des Romantikers Nikolaus Lenau denken, geboren im nahen Lenauheim. Für mich die schönste deutsche Ballade überhaupt. Wie glückselig ich in jenen heimeligen Augenblicken unter den alten Maulbeerbäumen in der flirrenden Banater Heide war. 


Doch zurück in die Gegenwart. Das Logo meines Blogs wurde von Hans Vastag entworfen. Wir kennen uns seit einer halben Ewigkeit, waren Kollegen bei der NBZ und der deutschen Sendung von Radio Temeswar. Unsere Mütter litten im selben sowjetischen Zwangsarbeiterlager in Dnjepropetrowsk, dem heutigen Dnipro, in der Ukraine. Hans und ich wohnen seit mehr als 30 Jahren in Stuttgart, sind in regelmäßigem Kontakt, ich bin Firmpate seiner Tochter. Er war mir beim Erstellen des Blogs eine große Hilfe.


Warum heißt der Blog "Mit Heimann näher dran..."? Weil ich darin aus dem Nähkästchen eines langen Reporterlebens plaudern und angereichert mit viel Hintergrundwissen hinter die Kulissen blicken werde. Deshalb wird es keine 1:0-Berichterstattung geben, sondern eine abwechslungsreiche. Als Journalist wurde ich ausgebildet, querbeet zu schreiben. Ein Allrounder, wie im Fußball vielseitig einsetzbar. In der Journalistenschule von Axel Springer, die zu den besten ihrer Art weltweit gehört, durchlaufen die angehenden Reporter alle Ressorts, eignen sich multiple Kenntnisse an und entscheiden am Ende, auf welchem Fachgebiet sie arbeiten wollen. Bei der NBZ habe ich nicht nur über Sport berichtet, sondern auch über Kultur, Agrikultur, Industrie, selbst für die Mundartseite Pipatsch.


Das Leben ist vielseitig und Kommunikation das A und O im Journalismus. Im Mittelpunkt der Kommunikation steht die Nachricht, die an die Leser transportiert werden muss. Dafür ist ein umfangreiches Netzwerk erforderlich, um rechtzeitig zu erfahren, was wo wann wie und weshalb passiert ist. Dieses Netzwerk habe ich mir bei der NBZ in Rumänien und danach bei BILD in Deutschland angeeignet, es danach als freier Journalist ausgebaut, gehegt und gepflegt. Jetzt kann ich davon profitieren. Mit anderen Worten: Ich werde mein Bestes geben, damit dieser Blog eine unendlich runde Sache werden wird, gemäß dem Spruch von Cicero. Der berühmteste Redner des alten Rom forderte: "Suche nicht andere, sondern dich selbst zu übertreffen." Ich werde es versuchen.


Beenden möchte ich meinen ersten Blogbeitrag mit einigen Versen meiner Lieblingsdichterin Mascha Kaléko aus dem Buch "Die paar leuchtenden Jahre", das ich zurzeit lese. Denn ihre Strophenzeilen aus dem Gedicht "Die Zeit steht still" treffen auf uns alle zu:


"Die Zeit steht still. Wir sind es, die vergehen./Und doch, wenn wir im Zug vorüberwehen,/Scheint Haus und Feld und Herden, die da grasen,/Wie ein Phantom an uns vorbeizurasen.....Die Landschaft bleibt, indessen unser Zug/Zurücklegt die ihm zugemeßnen Meilen./Die Zeit steht still. Wir sind es, die enteilen."

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